On zynismus
Arbeitsthese: Facebook ist das Ecce Homo unserer Zeit. Theater sollte nicht mit ihm paktieren ohne es gleichzeitig zu kritisieren
Wir hatten mal einen Hund
Gott hab ihn selig
dieser kleine Racker ist immer in die Küche gekommen und hat an dem gelben Sack geschnüffelt
bis zu dem Moment wo man ihn am Halsband zurückgerissen und gegebenenfalls als Sanktion vor die Tür geschickt hat.
Nächstes mal hat er dasselbe wieder gemacht. Er war in gewisser Weise unbelehrbar.
Du musstest ihn immer wieder ausschließen, weil er so eigensinnig und seine Triebe so stark waren.
Ob er ein Parhesiast war, oder nicht, sei jetzt hier mal dahingestellt.
Er lebt leider nicht mehr, denn er ist, kopflos, wie er war, auf die Autobahn gerannt.
Ich glaub, ich bin ein bisschen wie dieser Hund.
Ich kann es auch nicht lassen.
Ich bin auch so ein Zyniker, der in der Tonne lebt, seit drei Tagen den selben Fleece-Pulli anhat und nicht aufhören kann seine Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken,
kommt dabei auch nichts als Müll heraus.
Und wenn es mal wieder soweit ist, und 50 Leute geklickt haben, was ich da an Diskursmüll produziert habe,
kann man sich sicher sein: Das ist nicht die Stammleser*innenschaft. Da hab ich mal wieder Anstoß gefunden mit Irgendetwas.
Also ein Stamperl grüne Wiese in den Nacken, eine Ahoibrause hinterher und ran ans Diskuswerk.
Google und Facebook, das mal vorangestellt, sind riesige Konzerne
Man versucht jüngst mit einer amerikanischen Kollektivklage (Link: Lage der Nation) und einzelnen europäischen Initiativen diesem Phänomen beizukommen. Hier geht es um unlauteren Wettbewerb. Das muss man nicht verstehen, das ist juristisches Hochreck.
Aber es gibt auch eine Komponente, die betrifft den kleinen Mann und die kleine Frau (egal ob Drecksnest, ob Vorstadt). Nämlich dass die Schweine versuchen systematisch unsere Aufmerksamkeit zu bündeln. Die tun alles dafür, dass wir unsere Augen und Hirne bei ihrem scheiß Content haben und nicht unserem eigenen Müll.
Die wollen, dass wir nicht vor unserer eigenen Haustür kehren, sondern stattdessen den ganzen Tag im weltweiten Netz rumhaten und uns Memes hin- und herschieben. Dann sind sie zufrieden. (Und drucken Geld und entscheiden Wahlen.)
Aber nicht wir. Wir werden davon nervös und gehässig. Und unsere Demokratie wird dadurch angekratzt, darauf wette ich jetzt, und später werde ich nur ganz trocken sagen „hab ich doch gesagt“. Und meine Pizza einfordern.
So, und Theater ist was anderes. Theater kann was anderes. Theater kann, dass sich Menschen treffen. Sich in die Augen schauen. Die Rauheit der Stimme des Gegenübers abnehmen. Einen Diskurs aufmachen, der nicht auf 100 Zeichen limitiert ist. Theater kann Empathie fördern, nicht in einem depperten Schillerschen Sinne, sondern einfach weil es Leute dazu bringt, sich damit auseinanderzusetzen, was es heißt, ein Mensch zu sein.
Simple as that. Und Facebook, twitter und Instagram können das nur sehr bedingt (sie können den Besitzkehrer, den Narzissten und die Medea in uns wecken, aber das meine ich nicht mit „Mensch zu sein“).
Ja und deshalb habe ich bescheiden vorgetragen, ganz ohne dabei jemandes Arbeit diskreditieren zu wollen, dass Theater etwas kann, was Facebook nicht kann. Insofern das jemanden nicht überzeugt, oder Gegeneinwände bestehen, freue ich mich darüber (im Ernst. Keine rhetorische Volte). Bitte jetzt schreiben. Oder für immer schweigen.
Herzliche Grüße.
Die Chefredaktion
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