Posts

Es werden Posts vom 2023 angezeigt.

Zuwege

Textbegehung  (Schnelldurchlauf) (Vorrede) Ich meine, dieses Haus ist ein Text, machen wir uns nichts vor. Schon klar, man kann echt viele Sachen irgendwie als Text beschreiben, das wurde auch schon gemacht. Tanzaufführungen: Text. Filme: Text. Wandteppiche: Text. (Andererseits: Das Meer: Ein Text?? Wohl kaum.) Und natürlich muss man sich dann auch die Frage gefallen lassen, was das überhaupt bringt, Apfel und Birne auf einmal über ein Drittes zu vergleichen. Ich würde sagen, das bringt mit sich, dass man ein sorgsameres Auge wirft auf das Verwoben-Sein von einzelnen Elementen. Die Schnüre im Teppich sind ja auch nicht irgendwie zufällig gefügt und halten mit Glück zusammen. Nein, sie folgen einer Technik, bedeuten Zeit und schreien danach, dass man ihnen einen Sinn zurückgibt. Und so stehe auch ich gerade vor diesem Haus. In Gedanken. Und versuche ihm etwas zurückzugeben. Fäden zu ziehen. Reime sortieren.  (Gestell) Jetzt kommt es natürlich darauf an, wie man sich dem Text nähert. Ob

Fwd: über medien/unis

  FEUILLETON Artikel 2 / 4 Drucken     Textgröße Doch kom­pli­ziert Nach ei­ner skan­da­lö­sen An­ti-Is­ra­el-De­mons­tra­ti­on an der Uni­ver­si­tät der Küns­te Ber­lin en­ga­gie­ren sich nun Stu­den­ten ge­gen an­ti­se­mi­ti­sche Aus­fäl­le in post­ko­lo­nia­lem Jar­gon. VON PE­TER RICH­TER Vie­le wa­ren es nicht, die sich am Mitt­woch­nach­mit­tag im klei­nen Stu­den­ten­ca­fé im Haupt­ge­bäu­de der Ber­li­ner Uni­ver­si­tät der Küns­te, UdK ein­ge­fun­den hat­ten, zwei Dut­zend Leu­te viel­leicht. Dann gin­gen ei­ne Pres­se­spre­che­rin und ei­ne Da­me „vom Ge­bäu­de­ma­nage­ment“ her­um und stell­ten boh­rend Fra­gen nach dem Be­ruf: Wer als Jour­na­list ent­tarnt wer­den konn­te, ward nach­drück­lich des Or­tes ver­wie­sen, und zwar „auf Ver­lan­gen der Stu­die­ren­den“. Das re­du­zier­te die Zahl der An­we­sen­den noch ein­mal deut­lich. Stu­die­ren­de  wa­ren es streng ge­nom­men auch gar nicht, son­dern Strei­ken­de, Stu­den­ten im Aus­stand „für Pa­läs­ti­na“, wie es auf ei­n

über medien / unis

wenn ich mir alte Blogeinträge durchlese. aus dieser Redaktion von Verrückten. die eigentlich nur aus drei ranzigen MacBooks besteht, die in Studenten-WGs schlummern, bis wieder irgendein fixer Gedanke, irgendeine schräge Theatererfahrung oder eine Ungerechtigkeit in Welt oder Diskurs die drei Detektive ergreift, schüttelt, nicht mehr loslässt, und in die Knie zwingt, von dort aus man solange nicht mehr frei atmen kann, so wie K., als er dem Gericht einen Besuch abstattet, bis man ihn beschreibt, und somit zurückwirft, den Stein des Anstoßes, in die Leere, möge er treffen, wen es betrifft.    Wenn ich sie also durchlese, diese Aktendeckel voller Aktionismus, Selbstgerechtigkeit, halb erfundener Storys (hier lässt sich einer vom Frankfurter Kunstverein unversichert beschäftigen und ausbeuten, dort nimmt ein selbsternannter Wallraf es mit einer Cateringfirma auf -- und gewinnt! -- gestritten wird für Arbeitsmigrant*innen im Architekturgewerbe gegen übergriffige Theaterintendanten oder ei

Sippenhaft-Nancy

Bild
 

Zum Tag der Intertextualität / Jelinek

Bild
Es gibt Dinge, die als undarstellbar gelten. Ich glaube, mal gelesen zu haben, das Rancière zum Beispiel die Shoah als einen solchen Gegenstand begreift. Was passiert also in dem Moment, wo mir ein Freund erzählt, er habe ein Video von einem Terrorakt angesehen, bei dem über tausend Menschen ihr Leben ließen? Wenn das Video authentisch ist? Was schaut dieser mir vertraute Mensch in dem Moment an, was vermitteln ihm die Pixel am Schirm, dieser zuverlässige Pointillismus unserer Tage, der die Information verabsolutiert und die Geschichte (=Narration) unterdrückt?  Ich erkenne an der Härte in seiner Stimme, dass das Gesehene ihn verändert hat und sei es nur ein bisschen. Ich beneide ihn nicht um diese Veränderung. Wenn er sich auf die Grausamkeit des Gesehenen beruft, um damit seine politischen Argumente zu stützen, merke ich, ich bin außenvor. Ich kann nichts sagen. Weil ich ja nicht gesehen habe, was er gesehen hat. Ich räume also das Feld. Wenn man es so nennen will.  Ziehe mich zurü

T. C. Boyle América / Betrachtungen über "Amerika"

1. Körper Die Obdachlosen dort sprechen einen nicht an Sie stellen sich nur aus Beharren auf ihrem Recht, ein Skandalon zu sein. Die Fettflecken und Schimmelstellen der American-Dream-Tüte zu verkörpern. Ja, und in der Tat. Diese Körper ver-körpern. Sie werden weniger Körper und mehr Zeichen. Tragen in ihren Schwielen den Schmutz der Straße. Verweisen mit ihren Wunden, die nicht heilen, auf ein System, in dem der Körper (wie ALLES ALLES ALLES) kapitalisiert ist. Ich meine nicht tatsächlich (denn tatsächlich würde das wahrscheinlich schon gehen, dass man in einer sozialen Einrichtung sich das desinfizieren und verbinden lässt) Sondern symbolisch. Ich lese diese Körper symbolisch und behaupte gleichzeitig, dass sie genau das einfordern. Damit sind sie übrigens das genaue Gegenteil der Botox-Welt. Jene funktioniert subkutan und besteht darauf, KEINE Zeichen zu beherrbergen. (Eine eliminierte Falte ist das Anti-Zeichen schlechthin, oder?). Das Dispositiv zu leugnen. Ich habe mir eingebilde

Über Authentizität / Landshut / Restauration

  Worum geht es?  Geht es darum, wer als Held dasteht? Die GSG 9, frisch gebacken, windhundflinke Kampfmaschinen? Mit ihrem Feuerzauber. Oder die Lufthansa mit ihrer übermenschlichen Maschine, die wie die Bienen, fliegt, obwohl es eigentlich unmöglich ist?  Oder geht es darum, wie die Fernsehproduktion mit Moritz Bleibtreu auf die Wunde RAF eine schöne Zuckerglasur zu packen, damit den Leuten am Schluss nicht die Barbarei (Splitterbombe im Kinderwagen) sondern die Coolnes (Bonbonpapierwerfen im Gerichtssaal) im Arbeitsspeicher bleibt?  Aber warum sollte daran ausgerechnet eine Zeitzeugin ein Interesse haben? Oder geht es um ein falsches Verständnis von Restauration nach dem Motto: packen wir auf das rostige Ding nur etwas schönen Lack drauf, Ledersitze rein und — Boom — ist die Aura wiederhergestellt. Die Aura, die für sinnvolle Erinnerungsarbeit unverzichtbar ist (Schulklassen durchschleusen, Selfies, Referate — fertig ist die Laube!) Ich gebe zu: ich bin verwirrt. Ob dieses Diskurses

Nicola Kötterl - (Anti-)Körper

Eine Textbegehung von Janik Hauser (dieser Text ist im Programmheft zu Gestus erschienen) Gestell Wir sind überdurchschnittlich zottlige Menschen, als wir hereinkommen, aber der whitecube (einer, der den Namen verdient) macht uns sofort zu Modell-Exemplaren. Leuchtet uns aus. Der graue Natursteinboden lässt uns schweben wie Halbgötter. Die Höhe der Decken macht einen gleichzeitig klein wie eine Ameise. Für sein Festspielhaus hat Richard Wagner an der vorderen Bühnenkante eine kleine Rampe bauen lassen, damit der Körper, wenn er sich nähert, der Kulisse magisch enthoben wirkt. Ich vermute, er hätte diesen Ort geliebt. Gips(Und wir sind auch nicht alleine. Am rechten und linken Rand dieses unheimlichen Guckkastens liegen Körperteile aus Gips. Arme, Beine, und anderes. Wir entsinnen uns kurz, dass ein Körper aufhört, ein gottgegebenes Ganzes zu sein, wenn er zerteilt wird. Und fragen uns eine Sekunde, ob nicht genau das schon zu Lebzeiten geschieht, während wir von Fitness für Bauch-Bein

Past Lives / Krise der Narration

Also wenn ich diesen Byul-Hang richtig verstehe, dann sind INSTA und Snapchat die Endstufe der Vernichtung der Narration. Obgleich "Stories" genannt fragmentiert sich die Lebenserzählung dort zu einzelnen Informationen (die eben genau Punkte sind und keine kohärenzstiftende Eklektik iSe Erzählung als Linie). Diese Zerstückelung ist ganz im Sinne der dataharvester , die sie in Vorhersagemacht ummünzen, dh. vor allem auf einer "Vorstufe des Bewusstseins" (etwas hinkende Analogie mit dem Medium Film nach Walter Benjamin und Freud) Kaufentscheidungen prognostizieren und provozieren können. Und vielleicht bin ich jetzt naiv oder zu binär unterwegs, wenn ich denke raushören zu können, dass dieser Verlust einer Verortung des Menschen in einer ganzheitlichen Erzählung (irgendwo ist da auch Heidegger reingemodelt worden), etwas negatives ist. Dass dadurch etwas wertvolles verlorengeht.  An anderer Stelle haben wir uns schon mit dieser Erzählbarkeitskrise als Krise des Patr

Anmerkung zu ISBN 978-3-406-79145-1 , S. 94

 Ich weiß, es ist wieder nur ein kleines Detail, an dem ich mich aufhänge. Aber in mir wehrt sich etwas dagegen, die Behauptung zu akzeptieren, dass Kästner seine Streiflichter , die von den Nürnberger Prozessen handeln, nur auf diese Weise schrieb, weil Verdrängung am Werk war. Diese ihm eigene Weise -- vorhin viel mir auf, ich bin ihr vor genau einem Jahr schon mal begegnet, weil mir jemand Fabian zum Geburtstag geschenkt hat -- lapidar an das Große heranzugehen aber sehr verliebt und verspielt mit dem Detail.  Ich meine es ist nicht so, dass es mir nicht bewusst wäre, dass es einen ganzen Zweig in der Literaturwissenschaft gibt, der Anleihen bei den Methoden der Psychoanalyse macht (allerdings habe ich nie ganz genau verstanden, was es damit auf sich hat, weil ich mich damit, wie mit verdammt vielen Dingen, nicht eingehend genug beschäftigt habe). Und ich möchte auch nicht unterstellen, dass diese Denker*innen den heiligen Gral der Literaturwissenschaft antasten, indem sie mit der

Krieg / öffentliches Sprechen / Deutungshoheit über Gewalt (Gedanken zu punktlive) 2

 Also wieder wurde etwas vorgelegt. Und ich soll darüber sprechen. Also was heißt soll. Niemand hat mich darum gebeten. Ich fühle vielmehr einen inneren Drang. Einen Trieb, den man vielleicht besser unterdrücken sollte. Oder zumindest sublimieren. Vielleicht ist diese Form des Sprechens aber schon Sublimierung genug. Weil sie nie zur Sache kommt. Sie zielt immer darnach aber verfehlt sie permanent. Mein ganzes Sprechen eine einzige Aberatio Ictus. So sei es denn. Alles beginnt, wir hatten schon darüber gesprochen, mit der Behauptung eine neue Sprache zu finden. Für das Theater. In den Zeiten der Digitalisierung. Für einen Anthroposophen wie mich natürlich eine offene Kampfansage. Und der Dramaturg in mir (er ist nicht zu Ende ausgebildet. Überdies verkümmert von so viel Liebeskummer, Marketing, Exzessen, Jura -- allesamt denkfeindliche und kritiklose Tätigkeiten) vermutet bei dieser Wendung der Sprache (sie windet sich förmlich, wenn sie über sich selbst spricht) natürlich eine Floske

Krieg / öffentliches Sprechen / Deutungshoheit über Gewalt (Gedanken zu punkt.live; Mehr Theatre Group, Davide Enia) 1

 Stell dir vor, es ist Krieg und keiner schaut hin.  Oder ein ganzes Volk darf ihn nicht so nennen.  Oder er wird von der Straße in die Gefängnisse verschoben.  Wie verlagern sich dann die Ressourcen im Rahmen zwischenstaatlicher Solidarität?  Wie entwickelt sich die Stimmung an der Heimatfront?  Wie sieht ein Exil oder eine Desertion aus? Vielleicht trügt der Schein mich ja, aber Selenskyj hat das kriegerische Handeln wieder anschlussfähig gemacht für den Pausenhof.  Ein Heldencomic, der mit lässigem Shirt daherkommt.  Das eindeutig Gute im David, das eine wohltat ist für die Seele, in Zeiten des Goliath Desinformation. Wer archiviert eigentlich die grausam geschundenen Körper  (auf beiden Seiten)? Und holt sie ins Bewusstsein zurück, damit die ganze Geschichte nicht zu cool, marketing und lifestyle wird? Der Epos? Während die Meldungsspalte zum Frontverlauf über den einzelnen Körper schweigt? Der Zeugenbericht? Die Mauerschau? Kann die Sprache ihnen eine Plastik sein? Ein Mahnmal? Od

Sachpolitik / Klimakleber / Intersektionalität / Technologieoffenheit

Bild
Ich bin gestern mit einer Kommilitonin über den Campus der Goethe-Uni gegangen, wo ein Klimacamp aufgebaut ist und bei einem Blick auf das ausgehängte Programm meinte sie etwas befremdet: Was hat denn smash the patriarchy, der ayurvedische Tanzworkshop und der Kurdische Arbeiteraufstand mit dem Klima zu tun? Ich ließ das umkommentiert und wendete mich dem Tagwerk zu. Aber später kam mir die Frage nochmals in den Sinn. Und da musste ich an die ehemals grüne Politikerin aus Owingen denken, die antrat als Parteilose. Und nun Abtritt. Und in deren Kommentarspalten sich die immergleichen Schwaben zusammenrotten und über das Heizungsgesetz reden. Also nein. Sie reden nicht  darüber . Niemand redet  darüber , weil niemand es kennt. Alle reden  daran vorbei . Und da sind wir beim Punkt. Wenn Herr Scholz die Klimakleber verniedlicht, dann weil er Angst vor ihnen hat. Wenn es über Luisa Neubauer anzüglich laut wird, dann weil es irritiert, dass eine junge Frau weit besser informiert ist, als man

Hoftheater. Eine Farce. (I Akt, erstes Bild)

Bild
 

Gerede über Gerede über Machtmissbrauch

https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/stuckrad-barre-berlin-noch-wach-doepfner-reichelt-bild-e457617/?reduced=true

UNFCCC⁠, COPs und Scheitern von Kyoto

  Einleitung Ein beliebter Topos aus Einleitungen zu Artikeln über den Klimaschutz ist, dass die Erkenntnisse bezüglich einer gefährlichen, vom Menschen verursachten Störung des Klimasystems schon lange vorliegen bzw. sich abzeichnen. Und tatsächlich warnte der Schwede Svante Arrhenius  bereits 1896 davor, dass Kohlendioxidemissionen zu einer globalen Erderwärmung führen können. Erst nahezu einhundert Jahre später jedoch, im November 1988, wurde ein zwischenstaatlicher Ausschuß über Klimaänderungen unter der Schirmherrschaft des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) einberufen.    Der Befund ist in der Tat alarmierend. Im Vergleich zum Weltklima vor der Industrialisierung hat sich die Erde bereits um mehr als 1° Celsius erwärmt. Auf der Nordhemisphäre war die 30-Jahresperiode von 1983 bis 2012 die wärmste zumindest der letzten 1.400 Jahre. Jedes der drei vergangenen Jahrzehnte war wärmer als alle vorhergehenden seit dem Jahr 185