Anmerkung zu ISBN 978-3-406-79145-1 , S. 94

 Ich weiß, es ist wieder nur ein kleines Detail, an dem ich mich aufhänge.


Aber in mir wehrt sich etwas dagegen, die Behauptung zu akzeptieren, dass Kästner seine Streiflichter, die von den Nürnberger Prozessen handeln, nur auf diese Weise schrieb, weil Verdrängung am Werk war.


Diese ihm eigene Weise -- vorhin viel mir auf, ich bin ihr vor genau einem Jahr schon mal begegnet, weil mir jemand Fabian zum Geburtstag geschenkt hat -- lapidar an das Große heranzugehen aber sehr verliebt und verspielt mit dem Detail. 


Ich meine es ist nicht so, dass es mir nicht bewusst wäre, dass es einen ganzen Zweig in der Literaturwissenschaft gibt, der Anleihen bei den Methoden der Psychoanalyse macht (allerdings habe ich nie ganz genau verstanden, was es damit auf sich hat, weil ich mich damit, wie mit verdammt vielen Dingen, nicht eingehend genug beschäftigt habe). Und ich möchte auch nicht unterstellen, dass diese Denker*innen den heiligen Gral der Literaturwissenschaft antasten, indem sie mit der Implikation operieren Erzähler und Autor seien identisch, oder eine Trennung eher zu vernachlässigen. Die machen ihr ding , ich mach meins, diese Römer.


Aber mir geht es eher darum, dass eben genau diese Form vielleicht verdammt klug gewählt sein könnte. Dass eben ihr gelingt, neben der sog. Banalität des Bösen, die nun so offenbar zutage tritt (sicherlichlich auch, und ggf gar kritikwürdigerweise durch die Art der Inszenierung des Prozessgeschehens -- wir hatten den Gedanken an anderer Stelle schon mal verfolgt -- als Rachespektakel) noch herschreiben zu können, ohne dass es einem gänzlich die Luft abschnürt.


Die Form wäre dann kein Kollateralschaden einer defizitären Autorenpsyche oder eine verzeihliche Befangenheit von der Hitze des Moments (warum ist der Typ denn so schnell abgereist? Das muss doch einen Grund gehabt haben. Er hat wohl schlicht gesehen, dass es hier für einen Journalisten und Autor nichts mehr zu holen gibt, und sich im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen (auch das führt U. Neumahr an mehreren Stellen präzise aus) gewehrt, der Monotonie des Prozessgeschehens mit Spektakularisierung von dessen Peripherie oder Verbiegung der Realität zu begegnen).


Sondern ein wehrhaftes Mittel eines mutigen Autors, der sein Werkzeug unter Kontrolle hat, und die Sprache vor sich hertreibt, anstatt sich von ihr treiben zu lassen. 


Hätte ich besser recherchiert, könnte ich sagen, wer es war, der einmal über das Undarstellbare (die Baracken in Auschwitz) gesagt hat, es ließe sich wenn dann über den Geruch und den Vorgang der pissenden Insassen adressieren. 


Vielleicht habe ich es ja auch nur verdrängt.  


jh



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