Textsorte: Kleine Polemik (Fußnote) gegen eine Polemik gegen Reenactments
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Der israelische Künstler Omer Fast zum Beispiel hat mit »Spielberg's List« (2003) eine Arbeit produziert, in der die fotografischen Aufnahmen, die Komparsen beim Dreh des Spielberg Films Schindlers Liste machten, mit von ihm selbst zehn Jahre nach Spielbergs Dreh aufgenommenen Bildern zusammengeschnitten werden. Die Differenz der Szenerien, zwischen künstlerischer, cinematografischer und historischer Wirklichkeit verschwimmt vollständig.(16) Solche Arbeiten, deren scheinbar kritisches Verhältnis zur medialen Erzählung von historischen Ereignissen einzig in der spielerischen Wiederholung der medialen Mittel liegt, fetischisieren das Medium, dem sie so den absoluten Vorrang gegenüber demjenigen geben, was in ihm vermittelt wurde.
In vielen künstlerischen Reenactments ist dieses Verhältnis von Medialität und Repräsentation ein zentrales Thema. Beispiele dafür sind die unzähligen künstlerischen Reenactments psychologischer Experimente und Laborsituationen, wie Rod Dickinsons »The Milgram Re-enacment« (2002) oder Pierre Huyghes »The Third Memory« (2000), in dem Huyghe den Bankräuber John Woytowisczs, seinen 1972 in New York vollführten Bankraub nachstellen lässt, der 1975, also nur drei Jahre später, zur Vorlage für den in Huyghes Video eingeschnittenen Film »Hundstage« von Sidney Lumet wurde.(17) Wytowisczs Reinstallierung der Szenerie und deren parallele Dramatisierung im Film lassen das Ereignis zur bloßen Oberfläche werden, die durch ihre künstlerische Wiederholung jeglicher Vor- und Nachgeschichte beraubt ist. [1]Das Wiederholte ist nur Anlass für eine Serie angeeigneter Bilder, in denen das Wiederholte undeutlich wird.



[1] Dann hättest Du gerne, dass alles in einem Sonnenumlauf geschieht. Das Ganze im Ausschnitt, das wäre ein Traum oder? Nein! Besser noch, das wäre destillierte Wirklichkeit! The real Deal. Erkenntnis zum Mitnehmen. Eine Aristotelisch gedachte Entgiftungskur (Übrigens, ich denke, dass beispielsweise bei Milo Rau HATE RADIO auch destilliert ("verdichtung" nennt er das selbst, und hat damit ein superschönes Teekesselchen geschaffen, weil eine Fiktionalisierung, die ein Bühnenwerk zu kreieren nun mal ist, hier zu einer Möglichkeit des Versuches der gewissenhaften, rücknahmegestusbehafteten MONTAGE (die Demontage einer Ideologie sein kann?), also das Gegenteil von XYs [nachlesen bitte, unten bei Pollesch steht's] "schlechtem" Eklektizismus) wurde, nur eben intelligenter als mit diesem BUTTERFLYEFFEKTmäßigen KAUSALFASCHISMUS, den Ihr für eure schön kohärenten Texte so dringend braucht. (man sollte wirklich ein Kinderbuch schreiben, das Focaults INFAME MENSCHEN übersetzt/bebildert))

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