on toxic irony

 

Inhaltsstoffe
Dieser Artikel strebt 50 Leser*innen an, ist also
a) Ironiefrei
b) politisch korrekt
c) dennoch ein Hauch provokant
d) sprachlich unterkomplex (also auf dem Niveau einer Auszubildenden zB)


Ich habe neulich gegenüber einer Freundin vertreten, (3) "die [Terror-]Szene entpolitisiere sich", (2) die Justiz theatralisiere sich und überhaupt verhalten sich (1) die vermeintlich politischen Straftäter eher wie narzisstisch kränkbare Rapper.

Also erstmal war es gut, dass ich das gegenüber dieser guten Bekannten vertreten habe, sodass ich eine Antwort bekommen habe und nochmal genauer darüber nachzudenken genötigt war, was ich meine. Hätte ich gegenüber O.O. M.P. oder L.K. oder dem Drama-Master einen solchen Gedanken geäußert, wäre die Diskussion wahrscheinlich weniger friedlich verlaufen oder gar nicht erst entstanden.

Erst hier habe ich gemerkt, wie verschwurbelt und voraussetzungsreich ich mitunter schreibe (ich glaube beim Sprechen ist das weniger ein Problem, aber das kann ich selbst natürlich auch nur bis zu einer gewissen Grenze beurteilen) 

Also versuche ich den Gedanken nochmal einfach zu fassen.

(1) Es ist in der Tat, wie das M.S. vertreten hat, irritierend "dass noch Anfang Dezember der Untersuchungsrichter über die Festnahme von Markus H. berichtet hatte, wie dieser im Juni 2019 kühl, fast belustigt auf die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe gesagt haben soll:
Nur Beihilfe zu Mord? Keine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung?". 

Das erinnert mich an Rapper, die damit posen, wie viele Haftbefehle sie schon hatten. Also die Delinquenz als Statusbeförderer begreifen und benutzen. 
    Es erinnert mich nicht so sehr an das Verhalten zB der Roten Armee Fraktion, wo die Delinquenz eher Mittel zum (politischen) Zweck gewesen zu sein scheint. Natürlich ist das nur eine These. Ich versuche hier ja explizit keine Historiographie, sondern eher eine übergreifende Semiotik zu entwickeln. 

(2) Es ist außerdem zumindest spannend zu diskutieren, ob ein Strafprozess die sekundäre Aufgabe übernehmen soll, den Opfern zu gedenken, wie jüngst im Kassel-Prozess geschehen. Ich möchte die These aufstellen, dass die Justiz somit die Rolle einer Protagonistin einnimmt ("TheatralisierUNG"). Das heißt, sie steht, wie zB Antigone für eine Weltanschauung in einer nach außen sichtbaren Gemengelage. Nimmt eine Position in einer moralisch verschiedentlich bewertbaren Konfliktstruktur ein. Das tut ein Gericht im Laufe eines Prozesses nicht automatisch. Dies zu begründen würde ich gerne an anderer Stelle vornehmen. Aber ich schätze, dies hat viel mit der Legitimität durch Verfahren zu tun. Oder mit dem Neutralitätsgebot des Staates. Jedenfalls ist die These, dass der Richter* die Richterin, insofern sie sich auf eine juristische Begründung beschränkt, noch keine Protagonist*in ist. Und meine vage formulierte eigene Ansicht lautet, dass man es sich sehr genau überlegen sollte, wann man sich zu einem Protagonisten* macht.

(3) Und es ist mir noch eine vage These herausgerutscht, siehe oben (3). Ich merke erst jetzt wie waghalsig diese Kategoriebildung ist. Politischer vs. unpolitischer Mord. Das ist in etwa so gut zu greifen, wie politisches vs. unpolitisches Theater. Was zunächst feststeht: einen Erbmord an einem Lokalpolitiker oder an einer Bundeskanzlerin würde man nicht als politische Tat bezeichnen. Außerdem: Es gab schon Konstellationen, in denen das Label "politische Straftat" begehrt wurde (aus justizvollzuglichen Gründen, sicher aber auch, zum Zwecke einer größeren moralischen Akzeptanz, das müsste man weiter aufdröseln und kasuistisch filletieren). Sodann: die Radikalisierungsvorgänge, die zu Terrortaten führen, haben sich über die letzten Jahre (Jahrzehnte) verändert. Das gilt für den Islamismus [Quelle fehlt] aber auch für den Rechtsextremismus. Grob geschnitzt könnte man glaube ich sagen, das gälte es zu belegen: schneller, vereinzelter, digitaler, undogmatischer. Also d.h. weniger Zeit vergeht zwischen Erstkontakt zur Ideologie oder zu Mittätern und der Durchführung der Tat / es handelt sich mitunter um nicht aus Gruppen-movements hervorgehenden Tatentschlüssen (vgl. RAF vs. zB Alek Minassians) ggf. auch eine Tatausführung mit einer geringen Anzahl von Mittätern (über Unterstützer ist hierbei nichts ausgesagt) / die Organisation und die gedankliche Fundierung der Tatmotive erfolgen über digitale Plattformen (WhApp, Telegramm, 4Chan, etc.) und dementsprechend sind / ggf. auch die Diskurse andere (ehemals Mao, Sartre, etc. heute Rechtsrock, Breivik-Manifest, Gewäsch auf YouTube und 4Chan, welches weniger aus Argumenten besteht, als vielmehr aus emotionalen Versprechen)

Ob es zwischen (1), (2) und (3) einen Zusammenhang gibt und weitere Folgefragen gilt es natürlich jetzt viel genauer zu zerdenken. Und natürlich, ob die jeweiligen Prämissen überhaupt stimmen. Ich wollte eigentlich auch nur einen ersten Anstoß liefern, und der Kollegin mit dem zustimmungswürdigen Recherchevorhaben dramaturgisch ein wenig zur Seite springen. 

Aber noch eine kleine Footnote in eigener Sache:
Warum lenke ich das Gespräch überhaupt dorthin? Ich könnte ja auch meine Betroffenheit äußern über den rechten Terror (ein recht verbreiteter Gestus). Oder mit meinem juristischen Wissen prahlen (Mittäterschaft, etc.). Man könnte so ja meinen, ich verharmlose mit dieser Schwerpunktsetzung irgendetwas. Das ist aber nicht meine Absicht. Ich versuche mir paradox erscheinender Sachverhalte und Zeichen irgendwie mit Leben zu füllen und insofern Kohärenz zu stiften. Damit möchte ich niemanden größer oder kleiner machen, als das der Leumund ohnehin tun wird. 

Soweit erstmal



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