Es ist die Skizze von einem sehr verwalteten Leben
Wir sehen nur die Reisfelder und zwischendrin den Helikopter, der betankt wird -- der startet
Die Fernbedienung in der Hand hält ein Mann in Schutzklamotten
Er wirkt wie ein Hobbyflieger
Einer dieser Drohnenpiloten am Sonntagnachmittag. Beinahe niedlich.
Wenn die versprühte Flüssigkeit in den Luftwirbel gerät, den die Rotorenblätter verursachen
entsteht, so sehe ich das zumindest, ein Skorpion als Hologramm.
Eine fliegende Heuschrecke
Eine Plage wider der Zivilisation vonseiten der Zivilisation
Aber verbunden werden die verschiedenen Szenen (eine Tierjagd aus dem Helikopter ist auch dabei, sowie Nachtsichtaufnahmen von Wildschweinen im Garten; Haie vor der Surflinie) durch ein Lamento, das man als Westler vielleicht schwer lesen kann. Oder besser?
Nämlich die gleichschwebend freundliche, nüchterne Stimme der Ansager. Sie warnen vorm Wildschwein "Entfernen Sie sich langsam und rufen Sie die Autoritäten [sic]", werben für Kooperation "Wir danken Ihnen für Ihre Mithilfe", kommen herunter auf eine beinahe nachbarliche Apostrophe "Entschuldigen Sie, dass wir die Arbeiten schon so früh starten mussten"
Es gibt Leute, die Behaupten, dass man Murakami besser versteht, wenn man Kafka liebt, eine These, der ich gerne bescheiden widersprechen würde. Ich würde versuchsweise sagen bei Kafka ist das Gestell wie der NSA, der Verfassungsschutz unter Maßen, der Marsch auf das Kapitol : Versteckt - kryptisch - omnipräsent - gewalttätig - wuchtig // hingegen bei Murakami sind die Dinge des Alltags magisch -- gelenkt -- die Zeit wird dem Sein nicht notwendigerweise unterworfen (wir erinnern uns nur an die fabelhafte Szene aus dem Schafsmann, wo der Protagonist mit den Donuts an der immergleichen Stelle auf ETWAS wartet -- was dann auch tatsächlich passiert). Die Verwaltung liegt eher in der Luft, ist molekular an den lebensnotwendigen Sauerstoff gebunden, als dass sie in Form der Schlinge um den Hals des Protagonisten, diese Luft abschnürte. Sie ist eher Pestizid (also im System Natur) als eine physische Barriere.
Mieko Kawakami hat in ihrem 2020 erschienenen Roman
Brüste und Eier einen Geschmack davon gegeben was passiert, wenn man mal nicht kooperiert. Zumal als sexuelles Wesen. Dann wird es nämlich schnell ungemütlich. Ein Mechanismus, den auch die Geschichte von Shiori Ito einer Journalistin, die trotz höchster justizieller Hürden einen Kollegen der Vergewaltigung bezichtigt hat, eindrücklich belegt.
Das Argument des funktionierenden Gemeinwesens, der fürsorgliche Zwang des englischen Balletts kann äußerst schnell in patriarchale Häme bzw. chemisch induzierte Willensbeugung (iSe Vis Absoluta) umschlagen. Die Choreografie funktioniert eben nur so lange, wie keiner aus der Reihe tanzt.
Aber ich wollte über die Ausstellung sprechen. In der alten Westend-Apotheke in der Ligsalzstraße im Münchner Westend. Wo noch altes Apothekeninterieur steht, Schubfächer, deren Schildchen im Sinne eines Kunstwerks (Hände mit zu vielen Fingern / Variationen auf das Organ, mit dem wir menschen Dinge greifen / Futurama-Tschernobyl-Fokushima- und alle machen weiter, als wäre nichts gewesen) vereinnahmt werden. Wo Bilder sorglos auf eine Schublade gestellt werden, sodass diese auch einfach mal umfallen. Wo ein Hund rumläuft, der von seiner Herrin liebevoll ins Backoffice zurückbeordert wird ("was machst du denn hier?"). Übrigens dieselbe Person, die die bemerkenswerten Tässchen bemalt und lasiert hat, die, gar nicht im Sinne einer Ausstellung, der Öffentlichkeit unter dem Hintern weggekauft werden können. Dann noch ein gestrickter Rettungsring und Porzellan-Sardinen, die so eng auf dem Parkettboden gefügt sind, dass sie einen Schuppenpanzer ergeben, oder zumindest einen neuen Gegenstand bilden, wie die sprichwörtlichen Sardinen in der Büchse - Konkursmasse statt Lebewesen (über ihnen thronen Baseballschläger aus dem selben Material) >> all dies vermutlich eine Reflexion auf das Meer als Ort der Gefahr (durch Pushbacks) und der Ausbeutung (Überfischung). Eine Reflexion die gelingt, mE, obwohl sie in dem casual offspace mit aggressivem pop-up-Charakter erstmal harmlos und hip daherkommt. (Auf der Dokumente hätten die 30 Sardinen eine ganze Lagerhalle bekommen; und 300k Förderung)
Trotzdem. Die Leute kommen um die Kunst zu sehen. Und den Ort. Nicht um in erster Linie gesehen zu werden. Ich unterstelle das mal. Und behaupte, wenn auch sonst kein Talent, so doch zumindest hierfür ein Näschen zu haben. Selbst an Exklusion und Mono-Kultur (Mousonturm) geschult.
Wer zahlt dieses Vorhaben, fragt man sich, und traut nicht es laut zu fragen. Man hofft insgeheim, dass es nicht eine Kunsthochschule ist. Und also eine temporäre Unternehmung. Eine Trockenübung. Ein kurzes high vor dem Aufschlag auf dem Pflaster des Marktgeschehens. Man wünscht sich Abende voller Diskussionen, Lesungen, Performances, Soundspaces, Leute die zusammensitzen und Pläne schmieden, einfach WEIL DAFÜR EIN RAUM IST am Ende der Prachtmeile des Dolcevita. Ein Show-off-walk für Milennial-Entwürfe.
Denn darauf sollten meine Reflexionen über das verwaltete Leben auch zielen: Auf die Vorbereitung der Feststellung, dass sich dieser Ort mit all seiner schrulligen Liebenswürdigkeit den Regeln des Kunstbetriebs auf die beste - eben subsidiäre - Weise widersetzt.
Keine Google-Sterne sondern aufrichtige <3en von mir.
Janik Hauser
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