KiK 1-2.2
Unbenanntes Dokument
oder
Knossi in Korinth
Eine szenische Intervention
von J. Hauser
<3
1 Akt / 5
Bild 1
oder Die Frage, wie man nach einem Erdbeben weiterlebt
Chor der Erinnyen
Knossi steht allein an der Bühnenkante
Seine Entmachtung ist nun zum Greifen nah
im Hintergrund:
Antigone knutscht mit Julian Reichelt
Sie berühren sich unsittlich
Knossi
(österreichisch)
Das klingt wie eine Regieanweisung
Chor der Erinnyen
Ist es aber nicht
Knossi
(niedergeschlagen)
Ich weiß. Es ist fucking REAL. Das ist es, was alle immer sagen. Ich muss kotzen
Er kotzt
Bild 2
oder Vorsorge ist nicht nur etwas für Prostataträger
Knossi beim Bewerbungsgespräch für die Titus-Reinhuber-Stiftung
Wissen Sie, ich habe eine große Leidenschaft für pornografisches Filmwerk und anderen Schmuddelkram.
Bereits als kleiner Bube habe ich barbusige Madonnen angebetet
Und sie in meiner Nachtschatulle gesammelt.
Für alle, die jetzt klebriges Lubrikat
Und heimliche
Rasch dahingezischte
Schäferstündchen unter der Bettdecke erwarten
Weit gefehlt
Ich war keusch
Keusch wie ein Schäfer
Scheu wie eine Grille
Und fleißig wie ein Ameise
Mein großer Bruder hatte es nach Amerika geschafft.
Er war dort Vorarbeiter in einem Automobilwerk
Seine Frau ein dralles blondes Weib
Zum Schäfern stets aufgelegt
Die geile Sau
Die geile
Holla die Waldfee
Ich wusste: Der einzig Weg
In ein Abonnement
auf diese glitschig-rosig
duftenden Oberschenkel
(Technisch gesprochen: Ehe)
Der einzige Pfad in den Uterus
Der dauernden Verfügungsgewalt
Über den Stummen
Dummen
Gegenpart zu uns
stählernen
stolzen
Stimulationsbereiten
Mannsbildern
Der Einzige
Wäre durch die enge
Stinkende Poperze
Der freien Marktwirtschaft
Also schnürte das Bündel ich mir
Ich schelmischer Oliver Twist
In der Tasche nicht mehr als einen Nickel
Und das knitternde Bild meiner lieben Mutter
Der einzigen Frau, vor deren Missgunst ich mich
Fürchte
Und auf
In ein neues Leben
Als Heizer
Und Verheizter
Hungerkünstler und
Nimmersatt.
Aber diese Geschichte erzählen wir ein andermal
Kinder aus der ersten Reihe melden sich lautstark
Wer sind Sie eigentlich? Was denken Sie, wer Sie sind? Was denken Sie, wer seien Sie und wenn ja wie viele? Wir wollen die Geschichte aber jetzt hören (kollektiver Jubel wie im Bundestag, Julian Reichelt wird aufmerksam) Wir glauben Ihnen Ihre Lügengeschichten nicht mehr. Dümmliches Seemannsgarn. Egegowichse.
(Eine Protagonistin wird aus dem Chor ausgestoßen, sie beginnt zu weinen)
Wir korrigieren uns. Anführungszeichen. Ego g e w i c h s e. Muss es heißen. Unsere Praktikantin hat es mal wieder verkackt. Die dumme Futt. Nichts als Schwänze und Nagellack im Kopf. Aber Mit Nagellack macht man heute keine Pfründe mehr. Nein, nein. Wir sind die Generation Instagram. Wir alle sind Chef-Semiotiker
(wieder wird eine ausgestoßen. Sie hat einen Blauen Fleck im Gesicht)
Wir korrigieren uns. Anführungszeichen. Semiotiker * i n n e n . Muss es heißen. Unsere Hiwa hat es mal wieder verkackt. Die dumme Nuss. Nichts als Schwänze und Handtaschen im Kopf. Aber Mit Handtaschen macht man heute keine Pfründe mehr. Nein, nein. Soll sie doch woanders glücklich werden, die Schlampe.
Elfriede Jelinek im Negligee. Leider nur per Videocall
Es wird so langsam zum Problem. Es ist ein Problem der Machbarkeit. Denn wenn Sie die Theater großspurig zur arschlochfreien Zone erklären. Dann hat das eben zur Konsequenz, dass alle Arschlöcher sich verabschieden müssen. Von selber. Das wäre eine logische Folge dieser vollmundigen Bekundungen. Self-executing gleichsam. Doch dann hätte man wohl dasselbe Problem, wie damals als man die Denazifizierung der Republik verkündet hatte. Das ist einfach: Die Richterbanken bleiben leer, die Schulen geschlossen, der Müll verschimmelt auf den Straßen. Denn wenn Sie die Arschlöcher überall rausnehmen, ist das wie beim Jenga, wenn Sie versuchen vier tragende Stäbchen gleichzeitig zu entfernen (sie spricht das komisch aus, weil sie ist ja immerhin Wienerin). Sie machen damit eine riesige Unordnung und das Gemeinwesen gerät empfindlich ins Wanken. Das müssen Sie sich bewusst machen. Es ist einfach so (sie hat das “i” bei “ist” übelst lang gedehnt, unbelievable) dass das Patriarchat uns ernährt. Es ist vergifteter gehaltloser Scheißdreck, den sie uns füttern, aber es ist immer noch besser als wie nix (auch hier dehnt sie seltsamerweise das “i”)
Sie weint. Jemand macht ihr Make Up drüber. Stop. War das Jeffrey Eppstein?
2 Akt / 5
Bild 1
oder “und zweitens anders als man denkt”
Heegemann Sr.
Das war ein kurzer erster Akt
Denken sich jetzt alle
Die wo mal Dramaturgie studiert haben
Oder die Liebhaber unter Ihnen
Die beim Publikumsgespräch immer mitdiskutieren
Diese neunmalklugen Naseweiße
Meistens Männer
Just saying
Stegemann
(kommt aus einem Pornokino)
Das war ein kurzer erster Akt
Aber die war auch noch jung
Muss noch lernen
Wie der Hase läuft
Wenn er mal läuft
(macht sich den Hosenstall zu)
Bin auch nicht mehr der Jüngste
Heegemann Jr.
(empört)
Dreizehn?
Stegemann
Siebzehn
Heegemann Jr.
(überhört ihn) Papa, ich soll 13 Millionen Strafe zahlen
(Auftritt Knossi. Er geht in Lumpen und setzt sich auf ein Metzler-Handbuch von Elfriede Jelinek und raucht Selbstgedrehte. Alle starren ihn an)
Bild 2
oder die Rede von Utopien zerstört diese am effektivsten
Knossi
Des isch ne Message an mein Vatter
Vatter du hasch rein menschlich gesehn
Total versagt (er hackt die einzelnen Silben zeitversetzt mit einer Geste seines rechten Armes)
Heegemann Jr.
Ey Leute wie dich brauchen wir hier ungefähr gar nicht mehr.
Heegemann Sr.
Schatz bitte sei ein bisschen netter zu diesem Obdachlosen
Knossi
Ich bin kein Obdachloser. Ich bi ein Zyniker (er spricht das “Z” wie ein “K” aus, was alle irritiert)
Heegemann Jr.
Wie hätte man das erkennen können? Also ich meine b e v o r Sie so gebildet sprachen. (Auch sie hackt die einzelnen Phoneme mit einer Geste des rechten Armes)
Knossi
Auf meinem T-Hemd steht “rude boyy”.
Heegemann Jr.
Ich verstehe es noch immer nicht. Stoppmal, Papa, merkst du was hier abgeht? Er möchte, dass man sich intellektuell unterlegen fühlt. Er macht das um uns zu r e g i e r e n
Heegemann Sr.
Das kann sein, mein Schatz. Wir Männer sind so. So sichern wir uns die Illusion über feuchte Vaginen zu verfügen. Lass sie spielen.
Knossi
(auf einmal wie ein Schamane) Ich hab geträumt. Ich hab geschlafen und ich hab geträumt
Heegemann Jr.
(versprüht agressiv viel Raumspray)
Heegemann Sr.
(geht ungeschickt mit einer Nebelmaschine vor)
Knossi
In einer anderen Welt. (Kunstpause)
Wäre alles anders.
Mir träumte mein größter Feind
fiele
Ob eines törichten Fehlers, der ein Dorn ihm in der Ferse zuerst nur
Heegemann Jr.
Bitte kein Hexameter. Papa, sag dem Hetero, er soll anders reden
Knossi
(überhört sie, geht aber dennoch auf den Wunsch ein)
In meinem Traum
War mein größter Feind
Intendant an einer Drecksklitsche im Ruhrpott
Er hatte es
Gott weiß, wie
Zu diesem bescheidenen Ansehen gebracht
Kommentare