How to... (do things with words!) -- Die praktische Alltags-Tipp-Rubrik in dem Blogg SlämSchläm

How to...

GEISTESWISSENSCHAFTLER



Lektion 1


Wenn jemand im Seminargespräch sagt, dass sich ein Kunstwerk von einem Konzept X absetze (dabei kann X wahlweise Expressionismus sein, Repräsentation oder auch Sturm uns Drang, oder was auch immer, völlig egal), dann gibt es als Geisteswissenschaftler eigentlich nur eine Sache zu tun. Man hört dem gegenüber zu Ende zu, überlegt kurz, lässt sich das Wort erteilen und simuliert dann, dass einem dieser Gedanke gerade erst gekommen wäre:

"Interessant finde ich auch den Gedanken, dass ein Sich-Absetzen ja auch immer seine Gegenbewegung impliziert. Nämlich, so scheint mir, mit jeder Bezugnahme auf ein Konzept, und sei es eine negierende, dieses in seiner Gültigkeit zementiert." Wenn das Gegenüber, auf das geantwortet wurde, noch nicht verstanden hat, dass man es gerade hart gedisst hat, dann gibt man sich geduldig und sagt es noch einmal als Klartext: "Ich meine: Negation ohne Affirmation gibt es notwendiger Weise nicht".

Dabei sollte man einen Schal tragen, fettige Haare haben oder zumindest verstohlen auf seine Notizen schauen.


Lektion 2

Wenn jemand im Seminar die Frage aufwirft, ob ein bestimmtes Kunstwerk politisch sei, dann gibt es zwei Möglichkeiten, sich dazu zu verhalten. 

a) Die Flucht nach vorne:

"Ich habe mich im Zuge einer Hausarbeit mit Rancière beschäftigt, und finde, man sollte mit diesem Begriff vorsichtig sein. Kunst ist als solche schon widerständig. Auch, oder gerade wenn, sie sich weigert, sich anhand eindeutiger statements, in den Dienst des politischen Tagesgeschäfts zu stellen." 

b) Rechts ausweichen, links überholen

"Ich habe zwar noch nie Rancière gelesen, aber ich war neulich in einem Theaterstück, da hat man quasi für neun Euro den ganzen Abend so gut wie nichts geliefert bekommen. Es gab keine Sitzplätze und so gut wie kein Licht. Man ist dann so im Raum rumgelaufen und hat den zwei Performern zugehört, die haben naives Zeug über das Weltall geredet. Ab und zu gab es Musikeinlagen von einem Pianisten, der mit seinem MacBook von der Decke hing. Das wenige Licht war aber total schön! Und die Performer hatten auch so Rucksäcke, in denen Lichter drin waren und eine Flasche Wasser und Obst. Ich finde so etwas ungeheuer politisch, Ihr etwa nicht?!"

Man sollte dem letzten Halbsatz einen vorwurfsvollen Unterton geben. Das regt das weitere Gespräch merklich an und suggeriert, dass die Leute mit anderer Meinung nicht lediglich anderer Meinung sind, sonder, dass diese einfach den Gedankendreh nicht verstanden haben, und sich beeilen sollen, jetzt doch endlich gefälligst mal Schritt zu halten, aus dem Quark zu kommen, sonst is das Seminar rum, und wir haben immer noch keine geilen Gedanken hier gehört... Variante a) eignet sich besonders für Brillenträger und oder Hemdenträger, Variante b) ist stärker für die Leute gedacht, die sich des Anspruchs einer ausgleichenden Seminar-Redeordnung verschrieben haben, oder denen allgemein einer abgeht, wenn sie auf bescheiden machen.

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