Leif Randt -- Allegro Pastell


 

Es ist sehr üblich unter Kultursnobs und Hobby-Literaturkritiker*innen über ein Kunstwerk, das man am liebsten wieder einstampfen würde, weil es einen so sehr aufgeregt hat, einfach nur gut pointiert zu sagen: "Ich muss sagen, es hat mich einfach nicht so mitgerissen". Oder eine andere Variante ist: "Es hat mich nicht abgeholt". Klingt cool. Ist aber natürlich nur bedingt ein Kriterium. Ein Buch ist ja kein Uber. Zumal wenn man versucht intersubjektiv über eine Erfahrung zu sprechen. So viel nur dazu. Denn ich muss hier mal ganz infantil gestehen:


Leif Randts Allegro Pastell hat mich echt mitgerissen. Ich möchte auf die Suche danach gehen, warum (angereichert mit ein Paar "kruden Thesen" anderer Gesprächspartner*innen von mir)


Also ein Zugang wäre, das Buch irgendwie ins Verhältnis zu Faserland zu setzen. Warum das so gemacht wurde, muss ich erst nochmal genauer nachlesen und verstehen. Aber es wurde gemacht. Aber dann wäre mein Gegeneinwand: bei Faserland, da kommt jemand nicht klar. Da feiert jemand Exzesse, um sich irgendwie wieder in der Welt zu verorten. Da reibt sich jemand an der onmipräsenten Oberflächlichkeit. Dort sind die Leute* komplett eingerichtet. Sie reiben sich an nichts. Die Partypille wird akribisch geteilt, der Rausch zielgerichtet eingesetzt. Unter Verlusten wird in einem abgesteckten Rahmen pathosfrei gelitten, der Rest beim Yoga weggeatmet oder nach einer Karenzfrist mit Vaporizer-Dröhnungen ummantelt. Und gereist (im übertragenen Sinne) wird erst recht nicht.

Krude These: Von Reise und Bildung ist nichts mehr übrig. Zug gefahren wird nur zum Unterhalt einer die Spießigkeit feiernden Fernbeziehung und für dekadente Urlaubchens. 

Und bei Faserland ist es ein Einzelner, der im Fokus steht. Ich glaube auch eine Vereinzelung. Bei Allegro Pastell geht es ja irgendwie auch um Jerome-Tanja-(Tanjas Lovers)-Marlene. Also um potentielle Zweierkonstellationen (und deren Scheitern? Nein, das trifft auch nicht). Diese Zweisamkeit scheint irgendwie zwar niemals substanziell zu werden (was zur Hölle meine ich den damit schon wieder? Power-point: Pro/Contra Parenthood) aber sie scheint zumindest temporär das Bedürfnis der Leute zu befriedigen, und in ihrer Befristetheit die Leute auch nicht zu beunruhigen. So als wären emotionale Bedürfnisse eben auch so etwas wie ein Tief nach einem MDMA-Rausch. Nichts Tragisches. Etwas, dass man mit dem richtigen Verfahren schon irgendwie überstehen kann. 


Krude These: "Das Buch beschreibt diese Heterowelt in der ich lebe auf eine Weise, dass man ohne dass Kritik daran geübt wird fast selbst herbeieilen will und Kritik daran üben." 


Ein anderer Zugang wäre das eigene Rezipient*innenverhalten zu betrachten. Das Zeug snackt sich weg, wie eine Netflixserie. Aber dann auch wieder nicht. Ich habe das Gefühl, die treibende Kraft des Plots wird bei Allegro aktiv außer Kraft gesetzt. Aber nicht Ersatzlos. Es ist nicht die Langeweile, die beim Rezipient*in provoziert werden soll. Und dann wäre die Frage, welcher sprachlichen Struktur man diesen drive zu verdanken hat, der das Buch durchzieht. Ich glaube es hat etwas mit Akribie zu tun. Und mit gezielt eingesetzter Personaler Fokalisierung (Schulterperspektive) und deren Unterbrechung durch externe Fokalisierung. Aber den shit müsste ich auch nochmal bei Genette nachlesen. Aber ich glaube, das sinnvoll zu beschreiben, führt relativ weit.


Ein anderer Zugang wäre das alles irgendwie soziologisch, philosophisch, psychologisch zu zerfleddern. Aber da fehlt mir schlicht die Expertise. Schon irgendwie auffällig, dass alle Figuren so abgeklärt sind. Müsste man mal eine* Expertin* zu befragen. Die würde vielleicht darauf abstellen, dass man dazu Eva Illouz lesen könnte. Also bekannt ist, Psychologen aus allen Schulen haben das geltende Narrativ einer Selbstverbesserung des Subjekts des 20. Jahrhunderts geschaffen. Diese Deutungsangebote haben das, was früher ein moralisches Problem war, in ein innerpersonales Problem verwandelt und können so als ein breiteres Phänomen einer Medikalisierung des sozialen Lebens begriffen werden. Insofern: Beide Themen, Liebe und Gesundheit, zeichnen eine Utopie des Glücks des modernen Lebens, beide funktionieren über Konsum und beide werden durch das moderne Subjekt angestrebt. Und dass die ja alle so komische Oberschichten-Leben führen, auch auffällig. Bisschen so wie bei meinem Dramaturgiestudiengang. Nach der materiellen Saturiertheit kommt die Hinwendung zur Kunst. Diesem finalen Kampf mit und partiell auch gegen die eigene Bedeutungslosigkeit. 


Krude These: "Ich kann mich null mit diesen Charakteren identifizieren. Vielleicht einfach, weil ich ein Arbeiter*innen-Kind bin"

Aber alle diese Zugänge scheinen mir nicht im Endeffekt ein befriedigendes Ergebnis zu erzeugen. Was ist das für ein fahler Geschmack, der nach diesem Happy End (?) über Email abgehandelt, einem bleibt, wenn man das Buch weglegt, und sich vornimmt, ja was eigentlich...? Mal wieder einen Trip zu schmeißen? Mal wieder das depressive Geschwister* anzurufen? Mal wieder tatsächlich zu reden? Sich zu fragen, ob es noch einen Gemeinsinn gibt hinter diesem ganzen Egowahn? 

Krude These: "Das Buch ist insofern skandalös, als dass man bei solchen Charakteren nicht davon ausgeht, dass sie literaturfähig sind. Man wartet immer auf die unerhörte Begebenheit" (besonders interessante These)


Mist, ich kann über diesen Roman nichts valides schreiben. Was ich denke franst aus. Ich werde mich also hüten. 



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