#LOHN ISCH DA (Podcast über Arbeitslosigkeit)

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Stunde Null -- Monat vor dem ersten Gehalt




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Tag X -- ich habe aufgegeben zu zählen

Es ist Dienstag
 
und ich kauf mir nix



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Tag X -- ich habe aufgegeben zu zählen


Betreff: Antrag auf Weiterbildung und Verzögerung bei der Bearbeitung meines Antrags


Sehr geehrte Frau Marx,

ich hoffe, es geht Ihnen gut. Ich wende mich heute erneut an Sie, da ich eine wichtige Angelegenheit besprechen möchte, die mich seit Monaten erheblich belastet.

Seit der Antragstellung im März dieses Jahres warte ich nunmehr auf die endgültige Entscheidung in Bezug auf meinen Antrag. Diese extreme Verzögerung widerspricht meines Erachtens den Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere dem Prinzip der Verfahrensbeschleunigung und der Rechtssicherheit. Es ist für mich absolut unverständlich, dass ein solcher Vorgang über einen so langen Zeitraum unbeantwortet bleibt.

Trotz dieser anhaltenden Unsicherheit habe ich nicht untätig gewartet. Ich habe die Initiative ergriffen und mich eigenständig nach Weiterbildungsmöglichkeiten umgesehen, die meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich verbessern könnten. Vor diesem Hintergrund möchte ich nun offiziell eine Weiterbildung beantragen.

Es ist mir besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass ich meine Abschlussarbeit im Bereich der Regulierung generativer Künstlicher Intelligenz verfasst und mit 12,5 Punkten bewertet habe – eine sehr gute Note. Die Bedeutung der Regulierung Künstlicher Intelligenz wird in Zukunft kaum zu überschätzen sein, wie auch aktuelle Berichte eindrucksvoll belegen, etwa der Artikel "AI Act tritt in Kraft" in der Legal Tribune Online vom 01.08.2024 (Link, abgerufen am 12.08.2024). Es ist daher essenziell für mich, mich in diesem wichtigen Feld weiter zu qualifizieren und gut aufzustellen.

Ein konkretes Beispiel für eine Weiterbildung, die ich gerne absolvieren möchte, ist das Seminar „Legal Prompt Engineering mit ChatGPT & Co.“, das am 23.08.2024 in Zürich von der Weblaw AG veranstaltet wird. Dieses Seminar zielt darauf ab, juristische Fachkräfte in der effizienten Nutzung KI-gestützter Tools wie ChatGPT zu schulen. Es behandelt praxisnahe Themen wie Datenschutz, Urheberrecht, Vertragsgestaltung und die Automatisierung rechtsnaher Tätigkeiten. Die Teilnahme an diesem Kurs würde mir nicht nur ermöglichen, meine digitalen Kompetenzen zu erweitern, sondern auch meine Effizienz in juristischen Kernaktivitäten zu steigern, wie in der Seminarbeschreibung eindrucksvoll dargelegt wird.

Die Anmeldung zu diesem Seminar ist bis zum 22.08.2024 möglich, und ich sehe dies als eine einzigartige Gelegenheit, mich in einem für die Zukunft der Rechtsbranche entscheidenden Bereich weiterzubilden. Daher bitte ich um eine rasche Bearbeitung meines Antrags, damit ich mich rechtzeitig anmelden kann.

Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Unterstützung und hoffe auf eine baldige und abschließende Klärung meiner Anträge.

Mit freundlichen Grüßen,

Janik Hauser, Dipl. Opferkringel





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Tag 123


Heimbau Bayern schreibt
meine Miete konnte nicht abgebucht werden

Arnold schreibt
Sie bekommen gerade kein Bürgergeld, weil ihr Widerspruch 
an die Widerspruchsbehörde weitergeleitet wurde.

Ich denke
Ich habe einen warmen Schlafsack zur Not
lagere ich mein Hab und Gut bei meiner Großmama 
und geh unter die Brücke. 
Vielleicht gibt es ja im Innenhof der Riedlerstraße ein windstilles Eck. 
Dann sehen wir uns endlich mal.







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Tag 118


Ich bin wieder inspiriert

Kauf mir nix

und bin mit der Welt befreundet.

Zu Arnold habe ich inzwischen ein Stockholm

aber ich chille zu viel auf YouTube, i confess

--

Und finde dort 

ohne wirklich zu suchen

den nächsten Peilo-Kotzbrocken








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Tag 115


1,1 k  auf  Konto  gewiesen

c r a z y

Ziemlich untypisch Arnold

aber auch ziemlich geil !







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Tag 105

Wohnung untervermieten und zu meiner Omi ziehen

Mal wieder typisch Arnold



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Tag 97

Ich sitze in Malmö im Moderna Museet
und denke nach über Liv Strömqvist, Care Arbeit, Glück, Liebe

Meine ToDo Liste
Bewerbung. Görre. BILD-Zeitung im Politikteil. AdK im Schleef-Archiv. 

Mein Psychischer Zustand:
Wechselhaft / flatterhaft

Ich erspare Euch, zu erwähnen, 
in wessen alleinigen Händen 
mein Glück liegt

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Tag 94

Ich sitze in der Böll-Bibliothek in Pankow und lese über Rilkes Russlandreisen. Meinen letzten Groschen habe ich gestern für Muskateller weggeschmissen. Hans Schnier wäre stolz auf mich, denke ich milde lächelnd. Auf den Klos hier steht, man solle das Spülen nicht vergessen. Ich mag diese irgendwie christliche und sozialistische Botschaft: Macht euren Scheiß weg, bitte. Wir sitzen alle in demselben Boot.


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Tag 93

Ich habe doch gesagt, ich kriege die Krätze. Ich habe doch gesagt, meine Armut wird sich offenbaren, trotz Ralph Lauren Shirt von meinem Papa und dem Hermes-Parfüm, das mein Opa mir damals geschenkt hat. Jetzt sitze ich also hier in der Dermatologischen Ambulanz der LMU Kliniken. Als wäre mein Leben nicht schon Holzklasse genug, werden wir um 9h (nach drei Stunden warten) von einer pampigen Ärztin aufgefordert, uns nur anzumelden "wenn es wirklich ein Notfall ist" / "Entschuldigung -- was heißt Notfall?" / "Na, dass es um Leben und Tod geht...". Ich rufe meinen Vater an. Er meint, ich dürfte mich als Notfall bezeichnen. Offenbar hat er eine andere Begriffsbestimmung. Oder er hat mich einfach lieb, und möchte, dass ich gesunde.... Ich argumentiere mich also durch die Selbst-Triage. 

Aber wie bei Kafkas Schloss, oder bei dem Brief an den Kaiser, bleibt man auch in der Komödie, die mein Leben ist, immer fern von der Macht. Man wird niemals gesehen, oder dringt durch zu ihr. So auch hier: "Versicherten-Karte?" / "Ähm, hab ich gerade nicht... also" (dem Empfangsmenschen fällt schon das Gesicht runter und er schaltet auf Durchzug) "Aber ich habe gestern mit der BKK telefoniert, ich BIN VERSICHERT" / "Ja, dann müssen die eine Bestätigung per Fax schicken...." 

Ich möchte nicht rechten. Ich berichte nur. Aber ihr sollt verstehen, was ich fühle. Es gibt diese Momente im Leben, wo man komplett entreichert ist. Man steht beim Aldi an der Kasse und die Karte geht nicht. Und man WEISS WARUM. Oder ich nach dem Frankreichurlaub im 5 Semester. Total heartbroken. Bei der GLS-Filliale, mit Portugal Trikothose und Karl-Marx-Rauschebart. Manisch bittend, diesen einen Anruf zu machen. Aus Kulanz. Damit mein Konto wieder entsperrt werde. 

So ein Moment war es, als die Versicherungs-Callcenter Frau meinte, "Wir können keine Bestätigung an das Krankenhaus schicken, weil das Jobcenter zum 1. Juni die Zahlungen eingestellt hat." Mein Herz zerbirst. Meine Bauchdecke macht eine Pirouette. Ich fühle mich ganz klein, wie damals als mein Stiefvater mich in den Senkel gestellt hat, weil ich beim Play Station Spielen einen strategischen Fehler mit meinem Stürmer gemacht habe. Ich bin ein Senkblei. Ich bin Wachs in ihren Händen.

Da das aber nicht so ist. Und ich nicht mehr der gleiche bin, wie damals, kurz nach der EM in Frankreich. Nehme ich mein inneres Kind auf den Schoß und erhebe selbst meine Stimme. Ich kombiniere Ausführungen über die Nachversicherungspflicht mit Kampfrhetorik ("Amtshaftungsanspruch gegen meinen Sachbearbeiter") und packendem Stammtischjargon ("Es kann doch nicht sein, dass Sie mich im Stich lassen, wenn ich Sie einmal in 10 Jahren dringen brauche...").

Im Endeffekt klappt dann alles. (um 16h) Die BKK faxt, ich verspreche ein baldiges Update in der Sache Arnold und bedanke mich für die konstruktive Herangehensweise. Mit Wärme in der Stimme.

Aber ich frage mich schon, wie die Story ausgegangen wäre, wenn da jemand gesessen hätte, der von seinem Papa weniger Semester Studium bezahlt bekommen hätte. 

Jemand, der vielleicht ein geborener Duckmäuserich ist.

Wir werden es nie erfahren.

Außer wir gehen hinaus in die Welt. Und lauschen den Geschichten der Geringeren


 


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Tag 89

Eine Fliege kommt

und setzt sich 

in meine Armbeuge


Offenbar ist sie nicht so abgestoßen von mir

wie ich es bin





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Tag 86

Es ist Donnerstag

und ich kauf mir nichts



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Tag 85

Ich war neulich beim Yoga-Retreat. Hab ich erzählt oder? Meine Mama hat das gezahlt, natürlich. Jedenfalls unterhalte ich mich mit einer der Frauen und sie erzählt, wie ihre Tochter sie in die feinsten Restaurants in München einlädt, wo sie als Influencerin mit einer special-Card hereinkommt. Einfach so. Und bestellen kann, was sie eben mag. Plus eins natürlich. Ich denke an den Moment bei TRIANGLE OF SADNESS, wo es darum geht, wer zahlt. ich denke, dass es diese Schauspielerin schon nicht mehr gibt. Ich denke an die sieben Raben. Ich denke an Kasia L. ich denke zu viel und zu gleichzeitig. Ich sollte weniger Denken und mehr arbeiten. 

Ich beschließe also zu arbeiten. Also lautet der Beschluss... Ich mache Scherenschnitte von dem TANGUÉ im Museum Fünf Kontinente. Ich frage mich, was diese Figuren so machen. Was sie in den Riten und Kulten der Kameruner*innen für eine Rolle einnehmen. Ich denke schon wieder... weiterschneiden.


weiterschneiden




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Tag 83

laura non ce

und arnold non ce

und überhaupt hat das nichts aufgehört zu nichten

es hat sich

bei mir eingeschlichen 







.

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Tag 79

(für meinen Freund M. I.)
Es gibt dieses Theaterstück


Ich stelle mir vor, wie Herr Arnold in seinen SUV steigt

zu Allnatura fährt

Etiketten studiert

Versucht, ein guter Mensch zu sein.

Während ich bei ALDI die billigsten Nudeln kaufe

und so sehr auf die Lieferkette scheiße, wie das sonst nur die FDP kann.

Ich stelle mir vor,

 wir begegnen uns beim Ausgang.

Dort, wo die Mädels vom Nagelstudio immer ihre Raucherpause machen

Vaperpause

(Der Versuch NICHT SO SEHR REGIERT ZU WERDEN ist etwas für Besserverdienende)

Ein kurzer Augenblick des Wiedererkennens

Das beschämende Vordringen zum Kern

Der Ordnung der Dinge

Fight or flight

//

Ich stelle mir vor, wir legen die Waffen nieder

und treffen uns in der Mitte

//

Da das aber nicht so ist

sitzen wir hier beide 

vor unseren Schirmen

und hassen einander

ohne es zu merken



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Tag 76

Die Krankenversicherung schreibt, 

dass ich ab 31 Mai nicht mehr über den Bürgergeldbezug abgesichert bin.

Und das am 3. Juni.

Ich krieg die Krätze...

Und behalte sie dann auch

Daran werdet ihr mich erkennen
 

Geräusch der Warteschleife

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Tag 73

Soundscape Störgeräusche
 

Ich kann es fast nicht glauben.

Arnold hat sich gemeldet.

Beinahe untypisch für ihn

Er möchte von mir nochmal 

(ein drittes und letztes mal)

Die Anlage EKS

Ich schätze sein Computer sagt.   i m m e r n o c h   NEIN zu der Frage der Bedürftigkeit 

Sein Computer zwingt mich in die Knie

Spannt die Bande meiner Freundschaften zum Zerreißen

(Schuldenliste: Marvin 64, Rafi 90, Franz 9)

Er glaubt nicht, dass ich mich von meiner Mutter abgenabelt habe.

Sein schlauer Computer.

Und eist mich so fest an die Negativität des Bitte-sagen-Müssens

Diese nie ganz vergessne

Bittere Träne der Kindheit


Geräusch der Warteschleife

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Tag 64

Soundscape Meeresrauschen

INVENTUR

Es ist Montag

Ich liege in der Toskana in der Hängematte auf dem Campingplatz und mache Inventur. 

Seit wie vielen Tagen kriege ich jetzt nichts mehr von meinen Eltern? 

1. März. Das ist jetzt ungefähr 3 Monate her.

Alle Rücklagen sind aufgebraucht

Das Dispo ausgeschöpft

Von Herr Arnold noch immer kein Wort

Mal wieder typisch.

Und das 5 Tage nach meinem Widerspruch gegen den Bescheid

(Übrigens schon der zweite Rechtsbehelf -- Erst in Reaktion auf die Ablehnung nach 38 Tagen Bearbeitungszeit dann auf eine Bewilligung eines Bruchteils unter falschen Voraussetzungen)

Krankenversicherung habe ich. Das ist schonmal nice.

Miete reicht wahrscheinlich nicht mehr diesen Monat...

Zum Glück ist es Sommer

Und ich habe von meiner Mum diese wunderbare 

blaue 

seidene 

Hängematte geschenkt bekommen...

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Geräusch der Warteschleife

Jingle

Tag 54

Soundscape Hinterhof -- jemand übt Klavier

Ich warte. Auf den DHL-Mann. 

Mein neues Mountainbike ist kaputt. So kaputt, dass Canyon es zurücknehmen muss.

Da ich aber zu ungeschickt bin um es selber zu demontieren, habe ich das bei einem Kumpel gemacht, wo es jetzt lagert. Und dort sitze ich schon seit 8h morgens im Innenhof. Mit knurrendem Magen und leicht verkatert, weil ich gestern mal auf einem ausnahmsweise guten Date war.

Ich glaube den Nachbar:innen ist das alles schon etwas unheimlich. Ich bin wie ein Wegelagerer mit Riesenkarton. Ich muss an Spongebob denken, der in einer Fernsehverpackung den Spaß des Jahrhunderts hat, während ich hier sitze und an meinem eigenen Konsumverhalten verzweifle. Und an unserer Versandtgesellschaft -- bleiben wir fair, die hat auch ihren Beitrag an meiner Misere.

Jedenfalls ist da diese Ruhe in dem Hinterhof. Ein bisschen Geschirr-geklappere, Stimmen aus dem Radio.  Ich komme in so eine Art Trance des Wartenden.

Auf einmal klingelt es. Und alles ist anders.

Eine Frau meldet sich. Vom Jobcenter. Sie hat "meine Bitte um Rückruf vorliegen". Es freut mich, dass sie so redet. Ich sage das auch immer gerne. Dass mir etwas vorliegt. (Gibt es da nicht einen Text von Elfriede Jelinek?) Vielleicht ist sie ja Juristin.

Das Ding ist einfach nur, dass sie ein Gegenüber ist. Das Schloß aus dem gleichnamigen Kafka-Roman und die ARGE verbindet, dass sie beide einfach derbe schwer erreichbar sind. Als kleiner Landvermesser fühlt man sich immer irgendwie beobachtet, aber unfähig das eigene Schicksal zu beeinflussen.

Das ist mal wieder typisch Arnold. Mein Leistungs-Sachbearbeiter Herr Arnold (Name wahrscheinlich geändert, warum sollte ein Leistungs-Sachbearbeiter heißen, wie eine Comicfigur aus meiner Kindheit ?!) macht sich nämlich inhaltlich rar. während er formal so richtig rausballert. Teilweise mehrere Briefe an einem Tag (mitunter mit widersprüchlichem Inhalt) flattern dann herein. Aber wenn man bei der Hotline Anruft, um mal eine Kleinigkeit zu klären ("Nein, das Sparbuch GIBT ES NICHT MEHR" / "Nein, meine Eltern haben JEDWEDE ZAHLUNG EINGESTELLT" / "Ja, ich bin AUCH auf der Suche nach Praktika"), kriegt man dort gesagt, dass es nicht möglich ist, zu seinem Sachbearbeiter durchgestellt zu werden -- man könne aber im Onlineportal um einen Rückruf ersuchen...

Ja, klingt digital und sexy. Allerdings habe ich das schon dreimal gemacht. Bislang ohne Resultat.

Bislang. Aber jetzt ist ja Arnolds Urlaubsvertretung am Drücker.

Naja, zumindest einen verschämten Blick durch den Türspalt darf ich werfen in das Zentrum der Macht. Denn sie meint (am Freitagnachmittag), dass sie nur noch bis Montag Vertretung sei. Und es sich wahrscheinlich nicht lohnen würde, sich in meine Akte einzulesen.

In diesem Moment überkommt mich ein leichtes Gefühl der Scham, dass ich zu einem dicken Aktendeckel geworden bin -- der ich doch einst ein drahtiger ambitionierter Leistungskörper war.

Ich sage nett Danke und verabschiede mich

Hoffen wir auf die neue Woche

Darauf, dass ein Wunder geschehe...

 

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Geräusch der Warteschleife

Jingle

Tag 52

Soundscape Metall auf Metall

Es ist Feiertag. Das freut vor allem Leute, die sonst auf Arbeit sein müssten. Und die bei der Gelegenheit draußen flanieren und ihre Kohle loswerden.

Für uns (ihr merkt schon: ich unterteile inzwischen in "die" und "wir") ist das vor allem ganz nice, weil mal keine verklausulierten Briefe von der ARGE hereinschneien (sonst gerne auch mal drei an einem Tag), und man sich dem widmen kann, was liegengeblieben ist.

Meine Jobvermittlerin Frau Marx (Name wahrscheinlich geändert -- warum sollte eine Jobvermittlerin so heißen?!) möchte einen Lebenslauf von mir. Und eine lückenlose Liste über alle meine Nebenjobs der letzten 5 Jahre (Marketingaushilfe, Lesesaalaufsicht, Tutor, Nachhilfelehrer) mit Eintritts- und Ausstiegsdatum. Puh!

Eine Menge Holz. Beim Drübernachdenken kommt mir, dass das Jobben immer ein bisschen Ausgleich war zu der Studiumstätigkeit. Es war bezahlt. Es war praktisch. Draußen in der "echten Welt". Und abgegrenzt, während die Option doch noch etwas zu lernen eigentlich immer im Hinterkopf geschlummert hat (bis man sie in Bier ertränken konnte). 

Jetzt, da ich wirklich Zeit habe, ist das nicht mehr so fame mit dem Jobben. 15 Std. die Woche darf ein Arbeitsloser hasseln. Wenn wir drüber kommen, verlieren wir den Status und sitzen ganz auf dem Trockenen. Also kein wirklicher Ausgleich. Zumal das Sich-Bewerben (Stepstone durchforsten, unzählige Personalbögen ausfüllen, Anschreiben zusammenbasteln, Lebenslauf fälschen) für mein Empfinden so ziemlich die ermüdenste Tätigkeit ist, die man sich vorstellen kann. Man wünscht sich sehnlich etwas sehnigeres -- Etwas, das die Muskeln in Spannung bringt. Vielleicht sollte ich auch einfach viel mehr Sport machen... Jetzt wäre ja "die Zeit".

Also ab an den See!

Den Papierkrieg kann ich auch noch heute Abend führen...

Cheerio !

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Geräusch der Warteschleife

Jingle

Tag 50

Soundscape Regen / Donner

Wenn ich wirklich so arm wäre. Wie mein Sachbearbeiter denkt. 

Wäre ich schon längst verhungert.

Wenn ich wirklich so fleißig wäre. Wie in meinem Lebenslauf steht

Würden wir nicht hier sitzen.

Wäre das ein Date.

Alle meine Freunde würden mir raten, aufzugeben.

Weiterzuziehen.

Aber da dies irgendwo zwischen Fiktion und Realität spielt.

Sich immer noch irgendeine Gelegenheit auftut

wie bei Oliver Twist

lebe ich noch

Und es geht erst so richtig los


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Geräusch der Warteschleife

Jingle

Tag 43

Soundscape Isarwahnkiosk

Dass man die verschiedensten Dinge mit Hingabe machen kann, vergisst man manchmal. Dann braucht es Gurus, die einem die Perspektive zurechtrücken. Einem das vortanzen, dass man dann selbst erst nur imitiert, in der Hoffnung die Bewegung möge sich bald mit Leben füllen. Ich nenne sie meine Rick Rubine des Alltags. Kleine schimmernde Rohdiamanten. 

Beim Kiosk habe ich so einen kennengelernt. Ich nenne ihn mal Max. Weil das zu ihm passt.  

Wenn er den Kiosk zuschließt, dann verliert er nie die Ruhe. Auch wenn die Stammtischgäste immer dichter werden und immer absurdere Post-letzte-Runde Ideen haben. (Noch eine große Weißweinschorle mit nur einem SCHUSS Aperol und exakt einem Eiswürfel bitte). Er zählt die Kasse, wischt den Boden, Verrammelt den ganzen Laden mit komplizierten Eisenstangen-Systemen von denen gefühlt jedes klemmt und seine eigenen Tücken mitbringt. Ein Escapegame für das Proletariat, wenn man so will. Nur ohne Escape.

[...]

Ich bin ja eher so Team Ratio

Sinn von Arbeit




Geräusch der Warteschleife

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Tag 43

Soundscape Restaurant

Meine gute Freundin S. und ich stehen beim Italiener im Westend und warten auf die Pizza, die wir uns teilen wollen. Wir scherzen über 20.000 € Investitionsstau hinsichtlich privat-wirtschaftlicher Annehmlichkeiten. Autos. Segelurlaube. Die Stimmung ist ausgelassen.

Die Pizza zu kaufen ist etwas unnötig, weil ich meine Tagesration eigentlich schon hatte. Kichererbsensalat mit Tomaten, Apfel, Karotte Thunfisch, Zitrone. Bei Aldi ca. 3,50 €. Aber mit der geschnorrten Kippe und dem Flaschenbier zum EKP kommt ein Hüngerchen. Und mit der zweiten Halben die Scheißdraufmoral zurück. Wir kriegen Lust, einen Grappa zu trinken. Also bestellen wir. 

Nach einer kleinen Weile kommt die Pizza und die Rechnung. Und ein kleiner Schock. Eine Mikroagression des Universums, wenn man so will. Ein Grappa kostet nämlich 6,90€. Reflexhaft drehe ich mich zur Bar, aber zu spät. Der joviale Gastwirt schenkt schon in bauchige Gläser, als gälte es ein Geschäftsessen unter Applewatchträgern.

Es ist dies ein winziger Moment von fieberhaftem Kontrollverlust. Wie die Zehntelsekunde, in der man  sein Handy verloren zu haben glaubt. In der man die Bierflasche umgestoßen hat. Denn irgendwie ist es ja so: Es gibt da diese Entropie der Vermögensverfügungen: Wenn man nicht aktiv dagegenhält, die Karte von rechts her liest, oder mit den Freund:innen ein kompliziertes Auseinanderklamüsern der Rechnung anstößt, dann gibt man eben Geld aus. Das Geld verausgabt sich gleichsam selbst. 

ENDE 

Aber vielleicht fange ich von vorne an

Ich bin Janus, erfreut. 32 Jahre und immernoch nicht erwachsen. Ich habe gerne Germanistik studiert, nachdem es mit der Schauspielschule nicht geklappt hat. Dann im Master Dramaturgie und noch ein erstes Juraexamen obendrauf, weil warum nicht?! Gönnung muss sein. Sprich ich lebe seit rund 12 Jahren von 1000€ -- die von meinen Eltern kommen --  und manchmal Minijobs. Meine Miete kostet im Schnitt 600, Versicherung 170, SPD-Mitgliedschaft 4,50, Alditalk 7,99... Ich könnte noch ewig so weitermachen. Aber irgendwann langweilt das Bedürftigkeitsballet. Jedenfalls hat es mir immer irgendwie gereicht. Gut gereicht sogar. Ich gehe gerne was trinken, manchmal auch ein bisschen über den Durst und habe niemals Hunger leiden müssen. Dafür kaufe ich mir niemals Klamotten, auch nicht Second Hand und habe so gut wie keine technischen Geräte oder fancy Möbel zu Hause. Tja. Und ich bin arbeitslos, mit allem, was dazugehört.

Und WAS GENAU da dazugehört, das möchte ich über die nächsten bescheidenen Folgen ein bisschen genauer ergründen. Es mich und andere fragen. Wenn es mir gelingt, wird das ganze eher Poesie als Politik oder Entertainment. 

Wenn es mir nicht gelingt, wird es ein selbstmitleidiger Kommentar auf "das System" oder eine zynische "Abrechnung" mit den Behörden. In dem Fall bitte ich um Entschuldigung. Es ist grade ganz schön Dampf am Kessel. Könnt Ihr Euch eh vorstellen.

Konzentrieren wir uns also zunächst auf das Positive. Kurz überlegen... Ja. Zum Beispiel heute morgen. Ich bin in die Riedlerstraße 75 gefahren, um Widerspruch gegen meinen Ablehnungsbescheid einzulegen, der mir vergangene Woche ins Haus geflattert ist. Zur Niederschrift in der Geschäftsstelle, wie es heißt. Keine Schlange, offene Türen. Der Sicherheitsmann tut ein bisschen so, als hätte ich gerade eine Privataudienz bei Taylor Swift. Aber im Endeffekt lässt er mich ans Infodesk. Die Frau die dort steht, ist lockig und nett. Sie erfasst sofort mein Anliegen und bietet mir ein Druckerpapier an, damit ich meinen Rechtsbehelf nicht auf einem herausgerissenen karierten Fresszettel einlegen muss. Als ich abgebe, bemüht sie sich noch darum, mir eine Empfangsbestätigung auszustellen, denn "Alles schon vorgekommen... Bei manchen Widersprüchen hieß es schon, sie seien verloren gegangen. Und dann ist die Frist natürlich um... Schön blöd." Ja. Schön blöd. Und ganz schön lieb, namenlose Türhüterin, dass Du versuchst, hier meine Interessen zu wahren. Ich wette, es kommen genug überspannte, teils freche Freunde hier an und suchen in Dir ein Ventil für die empfundene oder tatsächliche Ungerechtigkeit... Und überhaupt: den ganzen Tag in diesem eher kargen Büro. Mit vermutlich viel Leerlauf. Ich überlege kurz, wie viel man mir bieten müsste, um diesen Job zu machen...

Apropos Jobs. Alle meine Freunde und Verwandten reagieren in etwa so auf meine unerwartete Zwangspause:


"Mach doch was Soziales. Und zieh nach Berlin, oder so..."

"Sei froh. Am Schluss ist es Dein letzter freier Sommer..."

"Hui. Ich wünschte, ich wäre an Deiner Stelle!"

"Kannst Du nicht ein Praktikum in einer Kanzlei machen -- zur Überbrückung?"

[...]


Dass das alles sehr hoch gegriffen ist. Und im Endeffekt nichts so heiß gegessen wird, wie gekocht, das muss ich euch nicht erzählen. Aber ohnehin. Ich muss los... Probearbeiten beim Kiosk! Wir sehen uns.









 



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