Failing System -- The End of Patriarchy ?
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ZAMA MWANDLA
Verortung
Schwarz gefiederte Pfauenwesen, die ein grellrotes Wesen (halb Mensch, halb Alien) umschmiegen, picken und in es eindringen. Vulva als offenliegende Achillesferse. Samtvorhang im Hintergrund – surreale Bühne? Überwältigung. Beklemmung.
Lohnt es sich womöglich, den stark symbolisch angelegten Gemälden erst einmal keine Deutung aufzudrängen? Quasi als freundliches Entgegenkommen in Richtung einem mir unbekannten Gegenüber. Sich mal kurz in die grellen Farben zu versenken. Die Dreiteilung, die durch sie zu uns herüberschwappt. Den Stil zu atmen, bevor wir zum Begreifen überhaupt in der Lage sind? Sich zu fragen, in welche Welt wir hier gerade eingeladen werden. Ist es eine ganz entlegene Phantasiewelt? So wie in einem Comic, das wir als Kinder angefangen haben, um dann nach ein paar Streifen schon wieder keine Bilder mehr zu haben? Oder ein anderes Interesse. Ist es ein Fiebertraum? Oder ist es… Es ist auf jeden Fall eine ganz eigene, private Welt, in der die Figuren gehegt und gepflegt werden. (Vielleicht ein Rückzugsraum für die Künstlerin?). Verhalten wir uns darin wie gute Gäste. Die müssen auch nicht jeden Einrichtungsgegenstand anfassen und verstehen. Aber bei aller – gewiss erlaubten – gesunden Naivität: Es wäre dennoch unredlich zu verschweigen, dass männliche Gewalt die erste Keimzelle dieser Bilder ist. Eine Form von Gewalt, die in Südafrika im Laufe ihres Lebens fast jeder zweiten Frau widerfährt. Nach längerem Abwägen denke ich mir: Man kann mit dem Abbilden etwas bannen. Vielleicht. Auch wenn das nicht heißt, dass man es dadurch geheilt bekommt. Und dennoch: Womöglich genügt schon das Gefühl, selbst über die Gezeiten der Verletzung zu bestimmen.
ROSANNA GRAF
Diese blaue Handtasche, die die Terroristin im Modegeschäft vergisst, weil sie doch so in Mode verliebt ist. Diese Handtasche beschäftigt die Geschichtsschreibung. Eine vorwiegend männliche Geschichtsschreibung, versteht sich. Sie möchte an Symbolen besser verstehen, wie die Dinge eigentlich verfasst sind. Deshalb hängt sie sich an den Bonbonpapieren auf, die die Terroristen im Gerichtssaal aufeinander geworfen haben, um die Verachtung gegenüber dem System auszudrücken. Sie bemüht Moritz supersexy Bleibtreu. Sie staffiert die Terroristin mit kessen Röcken aus den 70ern aus, damit wir besser verstehen – wie die RAF es damals jovial formuliert hat – dass ficken und schießen ein Ding ist. (Vielleicht ist eine solche Aussage ja auch nur plumpes Marketing für den Terrorismus, so wie heutige TikTok Videos, die mit blauen Pillen, cooler Musik und astreinen Karren für den Dschihad werben).
Ist die patriarchale Welt durch Symbole gestützt? Sind wir darin, in dieser Art zu denken, Gefangene? Wie gelingt dem Menschen ein gegenseitiges Verständnis jenseits der Mittel der Repräsentation? Und wie verwandelt sich der weibliche Körper im Krieg?
MILENA WOJHANs PERFORMANCE “LUPA”
(Liebe Sina, wenn du das sprichst, stell dir doch mal vor, Piper Parabo steht vor dir. Kurz davor, Euer gemeinsames Nest zu verlassen. Hast du Mitleid mit ihr?)
Das Shotgirl. Auch so ein beliebter Topos (also ein Gemeinplatz, an den unsere Erzählungen immer wieder zurückkehren, obsessiv, wie an einen Ort, der für ein Trauma steht). Eine junge Bardame vielleicht (mit Pfefferspray bewaffnet im Dickicht der stumpf-lüsternen Großstädte). Zieht die Blicke der Männerwelt an, aber ist natürlich NICHT ZU HABEN. Schließlich ist es ihre Zitze, von der sich der Mann nährt, immer entschlossener auf den Rauschzustand zusteuernd, der schon ganz nah am Kriegszustand ist – unserem Urzustand. Nachts reißen wir die Beute, die wir eben auftreiben können, als Rudel. Morgen Mittag grillen und illegale Autorennen. So hält die Ordnung.
(ein Kind fragt:) Was heißt Performance?
Gute Frage. Ein Theoretiker hat einmal gesagt: im Theater ist das Blut, das man zu sehen bekommt Ketchup – in der Performance ist es echtes Blut
Vor allen Dingen, so scheint es mir, daran anschließend, sucht die Performancekunst regelmäßig ganz bestimmte Momente der Permeabilität (der Durchlässigkeit) der Blickordnung. Wo man als Darstellerin zwar angeschaut wird, viel intensiver und länger als im Privatleben (zB in der U-Bahn), aber andererseits auch nicht den Schutz um sich herum hat, der einer jeden Schauspielerin durch ihre Bühnenrolle bereitgestellt wird. Dort, wo keine Scheinwerfer blenden, treffen sich die Blicke (bekanntlich das Tor zur Seele) – die Gefahr eines Austausches besteht. Mein Eindruck ist, dass manche Menschen mit dieser Gefährdung besonders gut umgehen können. Die Mutigen vielleicht. Mein Gefühl sagt mir, dass wir es bei der vorliegenden Arbeit mit einer Mutigen zu tun haben.
Candycrush
Ein brütend heißer Tag.
Dieser körnig krisselnde Ausschnitt aus unsrer kriselnden Gegenwart hinterlässt bei mir viele Fragezeichen und keine Antwort.
Das Mädchen, das hier gebannt auf eine Monstertruck-Show starrt (sie so anzustarren, als ihr Nebensitzer, wie die Fotografie es tut, hätte ich mir wahrscheinlich verboten, und wenn nicht ich, dann sicherlich irgendein böser Blick irgendeines Sittenwächters) stranguliert sich mit den Gummibändern, die Traubenzuckerketten zusammenhalten, welche man als Kind zerbeißt – immer mit der Gefahr, dass sich die Hälfte, die nicht in dem Mund landet wie von Steinschleuderhand entfernt. Nach dem Zuckerbrot nun also die Peitsche. Aber.
Wer imitiert hier wen? Sind es die explodierenden Riesenautos, außerhalb des Bildausschnittes, die eine urmenschliche Faszination an oder gar einen Wunsch nach Zerstörung verkörpern? Das Candygirl, ganz hingerissen von dem Schauspiel der Gewalt, wäre dann eine vereinende Konsumentin des naturvergessenen Zirkus wie in dem Kafka-Text Auf der Galerie. Oder ist es ganz anders? Wie es eigentlich immer ganz anders ist, als es aussieht.
Ist es nämlich doch eher so, dass das SÜßE MÄDL den vorgefundenen Gewaltzusammenhang an ihrem Körper als GESTE wiederholt? Ihn gleichsam einschreibt in ihre Haut, aber mit dem eigenen Blut, das versickert, verblasst und somit die Möglichkeit einer Heilung verkündet.
Kann man sagen, dass sie mit der lustvollen Selbstgeißelung
also eine Abtrennung vollzieht?
Kühn das Schwert der männlichen Kohorten führend
Ist diese Strangulation im Kern Unterbrechung?
Ein vernehmbarer Schrei am Anfang vom Ende des Patriarchats
MARINA MARKOVIC
Manche Leute beschreiben den Körper als Archiv. In ihm gehe nichts verloren. Er trage die Spuren des Lebens, das man bisher gehabt hat. Narben. Schwangerschaftsstreifen. Hornhaut. Oder nur eine körperliche Nachwirkung von psychisch eindrücklichen Erlebnissen. So wie ich das verstehe, sprechen diese Theorien eine optimistische Sprache. Denn wie ein wichtiger französischer Philosoph einmal herausgearbeitet hat: Wer das Archiv besitzt, besitzt auch die Macht über die Deutung der Geschehnisse. Das heißt, es gilt nur den eigenen Körper WIRKLICH ZU BESITZEN. Den Rest wird die Zeit heilen. Bei der vorgelegten Arbeit liegen die Dinge vielleicht etwas komplizierter. Es wirkt, als müsste durch seine Beschriftung (eine Über-Schreibung der verlorenen Geschehnisse?) der Körper erst wieder zurückerobert werden. Als spreche jener eben nicht für sich selbst. Und überhaupt: die verwendeten Zeichen sind verschiedenartig und verschlüsselt, als hätte uns ein umnächtigter John Nash Einblick in sein Zettelarchiv gewährt. Dann jedoch – ein geschwungener grammatisch äußerst wohl geformter Satz. Nüchtern beschreibend, als hätte Niklas Luhmann eine generative KI durch seinen Karteikartenkasten gejagt, und dem Ergebnis entgegengehalten: Es ist noch nicht klar genug, noch nicht skandalös genug. Explain it to a toddler. Then it will work for everyone.
SOPHIA SÜßMILCH
(Sina, ich stelle mir vor, ich bin in einem riesigen weißen Raum, wie Bernd das Brot bei der KiKa Lounge. Höhere Atmosphäre. Dantes Himmelsspirale. Alles kommt auf mich zu, wie in Trance)
Unter deinen Fittichen
Alles schwebt
Fließt,
weil Du den Fluss ermöglichst,
in den die Krieger Dämme rammen wollten
um zu erbeuten
Deine erhabene Kraft
Es nährt sich von dir,
wächst im Kokon ein relativer Charmeur,
dort ein absolut pferdefüßiger
Tausenbrüstler
(und Unzähliges mehr!)
Und dort – Zeichen Deiner Großzügigkeit
eine zitzenvolle Wölfin
Bereit zu laben
Was die Mutter Erde erschafft
Das Unbeschreibliche
Hier ist's getan
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan
SANDRA SINGH
Ich möchte Dir, Marie Curie, gerne ein Gedicht schreiben. Mutter zahlloser geistiger Kinder. Blutarme Ernährerin des Wissens. Um ihn dir aufzusetzen, den Ruhmkranz. Mein Lob auf Dich zu zielen, dass es dich treffe. Und nicht abgeleitet werde auf deinen Ehemann oder empfangen werden muss von Deiner leiblichen Tochter.
Aber meine bescheidene Tinte versiegt. Immer wenn ich ansetze.
Ich werde Dir also Bilder zeigen. Von meinem Körper. Und meinem Blick auf ihn.
Pflaster wie Mondkrater
Zeigen, dass ich mich nach meinem Bilde formen kann
Eingriffe statt Einschüsse
Nachwachsende Leber Lebensfreude
Hänge nicht länger am Angelhaken
Mit meiner Fruchtbarkeit als Köder
Strecke meine Michelangelo-Hand aus nach
Dem Lebensfunken
(Erschaffe mich als Eva ohne Scham)
Knospe / Reife / Überreife / Duft / ohne Bitterkeit / im Zwielicht
Fange meine Flüchtende zweite Hälfte
ein
//
Steine im Bauch
D a s ist Schwangerschaft.
SANDRA BEJARANO
Die Frau und das Geständnis. So würde ich das Kunstwerk betiteln, wenn ich es zu tun hätte. Ein wichtiger französischer Philosoph hat 1983 schon herausgearbeitet, dass uns seit Jahrhunderten das Geständnis als Kommunikationsform in Fleisch und Blut übergegangen ist. Vielleicht als ein Instrument der Mächtigen. Und das lange lange vor Kasia Lenhardt, der Wir-haben-abgetrieben-Kampagne, Instagram und Influencer:innentum. Das Innerste nach außen kehren in der Hoffnung, dadurch von der Gesellschaft Absolution zu bekommen. Oder zumindest nicht mehr die Bürde des Geheimnisses tragen zu müssen. Ich muss daran denken, dass man früher nach der Hochzeitsnacht, in der nach rigoroser Moral einst die Frau ihre sogenannte Jungfräulichkeit verlieren (verschwenden, abzugeben … jedes Wort ist falsch) also jedenfalls, wo es zum Sex kommen sollte (und zwar weiblicherseits zum ersten mal, Puh!) also dass am Morgen danach das mit Blut gezeichnete Bettlaken für alle Augen einsehbar aus dem Haus herausgehängt worden ist. Um das feindselige Gerede zu ersticken, das dem weiblichen Körper immer auf den Fersen ist. Und um vermeintlichen Status zu symbolisieren. Ist das eine zulässige Übersetzung von dem Ultraschallbild, bei dem die Frau ihr Innerstes nach außen kehrt? Den Ort sichtbar macht, wo ihre Fruchtbarkeit liegt? Die Konfrontation mit ähnlich anmutenden Bildwelten (Nachtsichtaufnahmen von Bombardements, das Einstechen in die Zelle bei künstlicher Befruchtung) in dem vorgelegten Werk legt jedenfalls nahe, einen Horizont von Gewalt, von Unterbrechung des natürlichen Flusses in dieser Abbildung des Innenlebens zu suchen. Fertilisation als feindliche Übernahme. Nichtschwangerschaft als konstruktives Ermüdungssymptom.
Zumindest ist es wohl ein Moment besonderer Verletzlichkeit. Bei gewollten Schwangerschaften ist das Ultraschallbild der erste Strohhalm, an den man sich überschwänglich und stolz klammert. Trophäe der Selfie-Gesellschaft. Oder in anderen Fällen der Ort für subjektiv lebensverändernde Nachrichten, wie: „Es tut mir leid: Ich sehe leider keinen Herzschlag“. Epizentrum schwerer Stille.
VERENA SEIBT und THOMAS SPLETT
Der Tod und das Mädchen. So heißt ein Theatertext von einer österreichischen Autorin, die den Nobelpreis trägt, und die zweifelsohne als kluge und präzise Feministin gelten muss. Er heißt deshalb so, weil die Autorin offenbar knalldreist nebeneinander in den Raum stellen möchte (als einen einsamen Nominativ), was in der Literatur immer wieder so beharrlich eng gefügt wurde und vielleicht noch immer wird. Der Theatertext versammelt und verklebt verschiedenste Motive, insbesondere aus der Märchenwelt, bricht diese auf, fügt sie neu wieder zusammen und liefert so einen frischen und kritischen Blick auf mutmaßlich allzu Bekanntes. Die Sprechinstanzen (von Figuren im althergebrachten Wortsinn kann man eigentlich nicht mehr sprechen) reden sich dabei um Kopf und Kragen — sie sprechen förmlich UM IHR LEBEN — und plaudern dabei ihre eigenen Widersprüchlichkeiten aus, bis man als Zuschauer:in keine Orientierung mehr hat im unwegsamen und doch melodischen Dickicht der Sprache. Mythendekonstruktion wird dieses Verfahren in der Forschung genannt, das mich auch an die Formsprache der vorliegenden Arbeit erinnert hat. Der Wolf. Bei dem Philosophen Baudrillard die erste und deutlichste Form, in der uns das (gegebenenfalls feindselige) Andere gegenübertritt, später als Ratte und schließlich als Virus. Der Wolf muss seine Andersheit verbergen, um Einlass zu erhalten. Bemerkenswerterweise ist diese Andersheit insbesondere in der Rauheit der Stimme begründet, von der der Philosoph Barthes beschreibt, dass sie ein Bedeutungsträger abseits der abgedroschenen und ideologisch gefährdeten Worte und Begriffe ist. Interessant, dass der kreidegeschmierte Wolf, aus dessen Stimme jedwede Tiefe, jede Körnung beseitigt worden ist, dass dieser Wolf als Großmutter durchgeht. Hat das Weibliche in jener und in dieser Welt überhaupt eine Stimme, überhaupt ein Profil außer die lieblich-säuselnde (aber gleichsam BEDEUTUNGSLOSE) Stimme der Fürsorglichkeit? Geschäftige Negativität?
PIERRE YVES DELANNOY
Wenn man das Thema der heterosexuellen Fortpflanzung und Sexualität als hinlänglich abgegraste Wiese sich vorstellen will, auf der mitunter achtlos herumgetrampelt wird, deren Nährwert vielfach wiedergekäut, und auf der zwischendurch auch bergeweise Scheiße abgeladen wird, dann ist das Thema homosexueller Fortpflanzung und Sexualität vielleicht mit einer Moorlandschaft zu vergleichen, in die sich fast keiner traut, oder mit einem Schwellenraum, vielleicht einer hoch aufragenden Schilfbank, in der sich Mythen ranken, die den Blick versperren, auf das dahinterliegende Gemeinsame. Diese Schilfbank wird in der vorliegenden Arbeit nun auf behutsame Weise aufgegriffen und zu einem Wandteppich umgewoben.
Wandteppiche haben eine Tradition zum Beispiel das geschäftige bäuerliche Landleben (Arbeit, Ernte, Ertrag) zu glorifizieren, mitunter indem sie eine Gleichzeitigkeit vielschichtiger Produktionsschritte in der Darstellung behaupten. Während der homosexuellen Liebe über Jahrhunderte eine Aura der Verschwendung, der Wollust, der Entfernung von der menschlicher Natur angedichtet worden ist. Die Filztechnik mit ihren gemütlichen Farbflächen geht aus meiner Sicht indes mit einer comichaften Darstellung einher. Schematisch, als ginge es UMS PRINZIP, um eine MOMENTAUFNAHME aus dem einzelnen Leben, statt um die künstliche Krümmung des GROSSEN GANZEN zu einem imposanten Kunstwerk. Der einzelne Protagonist wird mit seinen Zweifeln und Hoffnungen aufgewertet, anstatt ihn gegen den Weltlauf auszuspielen. Der Screenshot, der geteilte Bildschirm und der Spiegelselfie sind zeitgenössische Abbildungsformate, in der die vielleicht städtischen, kommunikations- und informationsmüden Akteure beim Handeln unterbrochen werden, wodurch Gesten entstehen. Es ist dies ein Handeln, das freilich weniger die Produktion von (landwirtschafts-)Gütern, sondern eher die Herstellung einer stabilen Identität und einer wunschgemäßen Biographie zum Gegenstand hat. Deshalb aber nicht weniger zerbrechlich.
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