Textbausteine zu einer Empörungskultur

 Gut! Wie gesagt, ist für mich auch indiskutabel und extrem fragwürdig.


Der Ausdruck fragwürdig (ebenso wie problematisch) wird sehr oft verwendet in linken universitären Studie-Diskursen (über die anderen kann ich nichts sagen)
Das ist erstmal bemerkenswert, weil es von einem vermeintlichen Problembewusstsein des Sprechers* zeugt. Der Schein trügt hier aber. Dies einfach deshalb weil "fragwürdig" bedeutet, dass der Sachverhalt es verdient, ihn mit weiteren Fragestellungen näher zu beleuchten. Er ist der Frage würdig. Lädt also zu einer Analyse ein. Vielleicht auch zu einem Austausch von Meinungen. In der heute gängigen Verwendung des Ausdrucks ist dieser allerdings kein Gesprächsöffner, sondern, wie in der oben zitierten Konversation eine Ausprägung einer "Basta"-Mentalität (wir erinnern uns an den Machohaften Ex-Kanzler, der jetzt für Gasprom arbeitet und Putin als "lupenreinen" Demokraten bezeichnet hat). Er beendet jedwedes Gespräch. Ich bin dankbar das in diesem Beispiel linker Intoleranz die Sprecherin die Elemente so pointiert versammelt hat. Das trägt zur Klärung bei.

Für problematisch gilt Dasselbe. Ein Problem (zB in der Mathematik oder in der Rechtswissenschaft) ist der Ausgangspunkt für einen Meinungsstreit. Ein solcher beschäftigt sich immer auch mit den Argumenten der Gegenseite. Er ermuntert jeden Sprachverwender dazu, sich bewusst zu machen, dass die Realität nicht so einfach mit Sprache abgebildet werden kann (klassisches Beispiel: ist der beschuhte Fuß ein "gefährliches Werkzeug" im Sinne des Gesetzes? Dafür und dagegen gibt es gute Argumente). So wie ich das Wort in letzter Zeit von meinen Dramaturgie-Kolleg*innen neu kennenlernen durfte, handelt es sich jedoch eher um ein Tatbestandsmerkmal. Oder besser noch: ein Urteil. was ich damit meine? In dem Moment, wo etwas als "problematisch" bezeichnet wird, soll dem Gegenüber damit seine moralische Verderbtheit attestiert werden. Wer etwas problematisches sagt ist nicht "Woke", als solcher kein "Ally" und scheidet für ein Gespräch -- und das ist der Punkt, den ich machen möchte -- von vornherein aus. Die Verweigerung der Diskussion ("indiskutabel") funktioniert als Machtausübung per se.
Es liegt auf der Hand, dass diese Form von Intoleranz nur gegenüber toleranten Personen verletzend wirkt. Eine andere wäre dankbar über den Gesprächsabbruch. Weil eine Auseinandersetzungfür sie nur mühsam ist (Argumente Suchen ist so wie frische Socken suchen: mitunter ein heftiges, langwieriges Business) und sie ggf mit ihrer eigenen Unkenntnis in Verbindung setz. Dazu untenstehendes Beispiel:


Hey Janik, zu deinem eben veröffentlichten Post: Dass du private Konversationen online postest und auf deinem Blog veröffentlichst, ist eine Sache. Das kann ich nicht gut heißen, das ist meines Erachtens ein ganz schön unangebrachten Verhalten - fällt vermutlich aber unter "freie Meinungsäußerung" deines Erachtens, ich kann es dir also nicht verbieten. Dass du dich in diesen Posts in eine Opferrolle begibst und die Person "nur zu deinem Geburtstag" einladen willst, statt auch auszuführen, dass du dieser Person damit drohst sie zu verklagen - auf einer nicht existenten Gesetzes-Grundlage- ist eine andere. Das ist feige, erzählt nicht einmal die halbe Wahrheit und ist für mich ganz klar ein Fall von übler Nachrede. M ist nicht allein und sie macht auch nicht den Fehler deine unsinnigen Anfeindungen alleine zu tragen. Ich persönlich finde solches Verhalten beleidigend und absolut unvertretbar. Damit du dich nicht fragen musst, wer deinen Post als "andere Personen anfeindend" gemeldet hat: In diesem Fall war ich das. Das bedarf für mich keiner Diskussion, denn jemand anderen auf eine derart feige Weise öffentlichen bloßzustellen ist für mich absolut inakzeptabel. Auf persönlicher Ebene stoße ich vermutlich auf wenig offene Ohren deinerseits, aber ich würde dich trotzdem darum bitten, dass du M einfach in Ruhe lässt bzw. das Ganze einfach ruhen lässt. Du kannst das hier gerne veröffentlichen, ich kann das gerne auch noch unter deinen Facebook Post posten, allerdings bin ich eher nicht dafür zu haben, andere Personen öffentlich ins soziale Abseits zu schießen, deshalb wollte ich dir erst einmal privat schreiben, wie sehr ich mich tatsächlich an deinem Post gestört habe und wie sehr er mich angegangen hat.
Die Verfasserin kennt sich nicht mit der Gesetzeslage bzgl. d. Nachstellung nicht aus. Das sei ihr zugegeben. (mit Gesetz vom 22. März 2007, in Kraft getreten am 31. März 2007, wurde in das deutsche Strafgesetzbuch der Straftatbestand der „Nachstellung“ eingeführt § 238 StGB, aF) Interessanter ist hier das Insistieren auf der Opferrolle. Diese Opferrolle ist das Kapital derjenigen, die keine andere Handhabe haben, so scheint es mir. (Unwillkürlich muss ich an Nietzsches Darstellung der Moral als Machtinstrument der Schwachen denken, wische den Gedanken aber wieder beiseite)

Denn meines Erachtens begibt man sich nicht in eine Opferrolle, wenn man jemandem, der droht, in einer strafrechtlich relevanten Weise Grenzen von anderen zu überschreiten, auf die möglichen Konsequenzen seines Verhaltens hinweist. Man ist dann weder Täter, noch Opfer, man ist schlicht neutral. Man informiert. Es kann sich demzufolge auch nicht um eine Anfeindung handeln. Mit dem rekurrieren auf eine Tatsache (potentielle Strafbarkeit) kann unmöglich ein sich-jemanden-zum-Feind-Machen verbunden sein. Auch das Wort Anfeindung scheint ein wichtiger Textbaustein zu sein. Eine Freund-Feind-Dichotomie scheint der Sprecherin äußerst am Herzen zu liegen. Ich persönlich finde es eher feindselig, die Vorbringungen meines Gegenübers unbegründet als "unsinnig" zu bezeichnen. Aber da bin ich wohl ein konservativer Knochen. Oder einfach zu weiß und heterosexuell. Kann gut sein. Ist eh so. Indiskutabel.

Einen eigenen Blogeintrag wert, wäre es zu besprechen, ob es perfider ist, jemanden "öffentlich ins soziale Abseits zu schießen" oder hinter dem Rücken der Person. Ich als Freund des Diskurses habe dazu eine relativ starke Meinung, die sicherlich auch streitbar ist. Bemerkenswerter finde ich allerdings die Allmachtsphantasie, die daraus spricht, sich die Position überhaupt zuzusprechen. Liebe M., es wird Dir niemals gelingen, mich ins soziale Abseits zu befördern. Ich bin mitten im Geflecht. Halt nicht in dem, in dem Du dich bewegst, das ist mir bewusst. Aber wie sollte das gehen, jemanden mit einem Post jegliche Kredibilität zu rauben? Ich frage das nicht aus Juchs, sondern weil dieser profunde Egozentrismus eine ganz interessante Schwesternschaft mit gewaltvoller Rhetorik eingeht (s.a.: "Ich kann es dir also nicht verbieten" / Anm: Warum "verbieten"? Wo sind wir denn zur Hölle? Wir könnten über die Sache sprechen, so wie man das IMMER GEMACHT HAT, bisher, bevor diese Break-up-culture so verdammt hip wurde. ÜBERZEUGEN könntest Du mich, verflucht nochmal. Das wäre eine humanistische Variante aus dem Gespräch zu gehen... Aber dafür fehlen vermutlich schlicht Argumentationsbereitschaft, Sachkenntnis, Menschenfreundlichkeit). Ich bin für eine friedliche Auseinandersetzung immer zu haben. Aber ich habe Grund zur Annahme, dass diese einige Akteure dieses Diskurses bereits verlernt haben.

Mit Grüßen

Die Chefredaktion

Basta  

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