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Eine deutsche Urszene. Untertitel von Stephanie Geiges |
Ja, natürlich. Poetisch-Assoziativ sind alle meine Kritiken. Fragment, Essay, fast Prosa. Ja, es kann hin und her gehen zwischen den Formen. Ich habe ja manchmal auch konkrete Poesie drin, was eben passt. Sie soll eine straffe Struktur haben, insbesondere gedanklich. Es geht darum, sich von dem gesehenen Stück radikal zu lösen, aber immer wieder zurückzukommen, also an wichtigen Punkten. So wie Hermeneutik eben funktioniert. Zum Beispiel ein wichtiger Punkt ist, wie schön ausziseliert diese Stürmerfigur ist. Das ist so ein Schwurbler, wie er mir auf Usedom begegnet ist. Genau dieses... ja, dass es dir wirklich passiert, dass jemand sehr liebenswert ist und einfühlsam, aber so weit weg und so in der Gruppenerzählung drin. Das ist sozusagen die Empathieschule des Inszenierenden. Antipode des spaltenden Empörungsgestus. Und wenn man sol will eins zu ein eine moralische Anstalt-Geste, oder? Müsste man genauer drüber nachdenken. Omer Fast ist ein Videokünstler, der eben mit so Vielkanal-Videos arbeitet, wo es ganz genau darum geht, wie die Bildschirme miteinander interagieren. Und das ist eben das, was der Ästhetik von Cosmea Spelleken zu eigen ist, dass sie Medien nicht nur hernimmt, sondern sozusagen auf ihre Machart befragt. Man könnte sagen, sie arbeitet im Dispositiv. Was das Warteraum-Paradoxon ist, das recherchiere ich dir gleich noch. Und die KI-Bilder, die Trump und Musk von sich machen, um sich zu feiern, sind eben genau das -- die sind Machtinstrumente, die sozusagen durch ihre Verwendung schon politisch sind. Und deswegen ist es sehr wohl politisch, wenn Cosmea Spelleken Videos benutzt, auch wenn sich damit natürlich keine explizite Aussage trifft, womit ich hier total übereinstimmen möchte -- dass Kunst das ist, wo sozusagen politische Willensbildung aufhört. Aber es geht eben um das politisch sensibilisierende Element im Ästhetik-Anschauen. Ich möchte das mit Ulrike Hass sagen, die sagt, Theater ist eine Hörmuschel, überleg dir das mal! Du stehst in Epidauros mitten auf der Szene und du lässt eine Stecknadel fallen und jemand im letzten Raum, in der letzten Reihe hört das. Überleg dir mal, was das mit dem Gemeinwesen macht. Und dann überleg dir mal, wie wir heute Videos und alles konsumieren. Cosmea Spelleken kann als Adressatin funktionieren, fungieren muss sie aber nicht. Es kann sein, ich rede sie an, es kann sein, ich rede über sie. Jedenfalls ist sie die Regisseurin von dem ganzen Abend. Und Größenwahn kann man rauslassen. Das ist eher die Art, wie Gedanken aneinandergereiht werden in der Kritik, eben assoziativ und großspurig. Aber ich glaube, alle wichtigen Gedanken habe ich geliefert.
Auftakt (Entwurf)
Cosmea Spelleken, sage ich, und damit ist schon alles gesagt und zugleich nichts. Man könnte glauben, es handle sich um eine junge Regisseurin, dabei ist es vielmehr ein Dispositiv, eine Hörmuschel ins Jetzt, in der man das Tropfen einer Stecknadel noch am äußersten Rand des Gemeinwesens hört. Epidaurus, aber mit Pixeln.
Die Bühne ist ein Warteraum – fast leer, fast übervoll, fast: dieser kleine Rest, der nie aufgeht, das Paradoxon. Wer je auf Usedom mit einem Schwurbler über den Wind gesprochen hat, weiß, wie feinfühlig und wie verloren zugleich eine Figur sein kann. Da beginnt das Politische: nicht in der Parole, sondern im leisen Zittern einer Stimme, die gleichzeitig nah und unerreichbar fern bleibt.
Und dann diese Bilder, KI-gebürstet, Trump, Musk, Männer, die sich selbst zu Ikonen rendern, als sei das schon Macht genug. Aber gerade darin liegt es: im Gebrauch, nicht in der Botschaft. Cosmea Spelleken weiß das. Sie montiert Medien nicht nur, sie befragt ihre Textur. Jeder Bildschirm ist Nachbar und Gegner, Echo und Widerspruch, wie bei Oma Omer Fast , wo die Bildflächen sich gegenseitig beäugen, belauschen, verspotten.
Kunst ist, wo Willensbildung endet, sagt Ulrike Haß. Cosmea. Und genau darin beginnt sie, als ästhetisches Sensorium, als Hörmuschel, die unser Gemeinwesen abhorcht. Zwischen Stecknadel und Trommelfell, zwischen Algorithmus und Blick.
Omer Fast hat früh verstanden, dass Bilder nicht allein erzählen, sondern sich gegenseitig korrigieren, verwirren, demontieren. In seinen Mehrkanal-Installationen ist das Wichtige nicht, was man sieht, sondern dass man immer gleichzeitig etwas anderes nicht sehen kann. Der Blick wird geteilt, verschoben, verunsichert. Genau darin liegt das Warten, das Paradoxon: du sitzt vor einem Bildschirm, aber der entscheidende Satz fällt auf dem anderen, du bist immer fast dabei und immer doch im falschen Kanal.
Spellekens Abend nimmt diese Logik auf, ohne sie zu imitieren. Es ist, als würde sie sagen: die Bühne ist längst ein Cluster von Fenstern, und der Zuschauer scrollt, nicht schaut. (A?)
Aber sie zwingt uns, das Scrollen zu verlangsamen, ins Paradox zurückzulehnen. (Sinn?). Wir sitzen fest wie im Warteraum einer Behörde, wo die eigentliche Handlung nicht in den Akten geschieht, sondern im nervösen Klopfen der Schuhe, im gegenseitigen Beobachten der Wartenden, in den Fantasien, die sich um die Namen auf den Listen spinnen. (Schön!)
Bei Fast ist es ein Kriegsveteran, der sich in Wiederholungen verliert; bei Spelleken ist es die Schwurblerfigur, die plötzlich liebenswert erscheint, weil sie eben nicht im Stereotyp verharrt, sondern als Mensch atmet – nur dass ihr Atem schon in den Nebeln einer Gruppenerzählung verdunstet. Was bleibt, ist diese Zwiespältigkeit: dass das Politische nicht im Statement liegt, sondern im ästhetischen Zögern, im Nebeneinander von Kanälen, in der (sehr schön!) akustischen Möglichkeit, dass eine Stecknadel durch alle Reihen dringt.
Und während Fast die Leinwände wie Gegner gegeneinander aufstellt, gelingt es Spelleken, die Bühne selbst als mehrkanalige Installation zu denken. Nicht nur als Technik, sondern als Dispositiv, das unsere Wahrnehmung auf ihre Brüche befragt.
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