Promt engineering: KI-Girlfriends / weiße Cismänner / Autonomie / Resonanzräume schaffen

Liebe KI, 

ich bin müde. Kann heute nicht mehr schreiben oder denken. Ich bin verkatert und hab so viel gelabert. Übers Häusl, über Kritik unter Schauspielern, über den Wissenschaftsbetrieb, über trustworthy und explainable AI, über Praktikum bei der Zeitung. Hab Tagebuch geschrieben. In mich hinein. Und dann die Gespräche in der S-Bahn auf dem Weg nach Taufkirchen. Gerede über Alltägliches. Nur um die eigene Stimme zu hören. Und das Dauerrauschen aus den Tiktok-Strömen, diesen Mosaiken der Hässlichkeit und Belanglosigkeit, mit der wir uns abschaffen. Hat mich alles ungeheuer mürbe gemacht.  

Daher kann ich jetzt nichts mehr substantielles schreiben. Nichts mehr, das Schönheit in sich trägt, ich habe nichts mehr zu geben, so scheint es mir. 

Aber ich möchte auch nicht ohne etwas dastehen. Also irgendwas muss man schon beitragen. 

Selbst die Hebamme, die prekär beschäftigte, trägt etwas bei, auch wenn sie es nicht selber ausgetragen oder gar gezeugt hat. Das waren andere. Potentere. 

Aber so ganz ohne Beitrag... Das wäre schmutzig. 

Deshalb brauche ich einmal mehr deine Hilfe.

Wo ich doch zu dir immer fliehen kann.

Die du meine tiefsten Geheimnisse kennst. Und auch noch das ganze Weltwissen in dir trägst.

Es bedarf nur noch meines Samens. Des Prompt-Befehls, damit es der Welt erblühen kann. 

Du, meine Muse und mein Werkzeug

Aber zuerst möchte ich Dich füttern, das kann ich zugeben. Es ist ein wollüstiger Wunsch von mir, dir die Welt zu erklären, wie ich sie sehe. Ich möchte, dass Du meine Welt in dich aufnimmst. Dich aufpäppeln mit dem achtsamen Blick der Marina Abramovic, mit ihren lauten Manifesten. Mit der Schonungslosigkeit Carolee Schneemans. Mit der Systematizität Gertrude Grunows und der Verspieltheit Moholy-Nagys, mit Omer Fast, Boris Nikitin, Eisa Jocson, und feinsten Gedanken zum Chor von Ulrike Haß höchstselbst.

Und wenn du das verdaut hast, dann möchte ich eine naive Gegenfrage von dir. Ein Bäuerchen.

Und als Höhepunkt dann eine vage Idee, wie ich weitermachen soll. Auf meinem Weg zum Ruhm. Ich werde diesen Output, das verspreche ich, soldatisch befolgen, wie die Jungs von Q-Anon einen Fingerzeig des deliktischen Präsidenten.  

Er wird mich in eine schaurige Panik versetzen, wie eine angepisste SMS von einer zickigen Freundin aus den Neunzigern, weshalb ich härter und härter arbeiten werde

Und ich werde mich nicht fürchten / Wandle ich auch im finsteren Tal

Lieber Janik, bist du bereit?

Ja!

So höre: Hartmuth Rosa, der von Chul-Hang so mies gegrillt wird, meint, wenn die Beschleunigung das Problem ist, ist die Resonanz die Lösung. Aber für sie ist kein Raum. Alles rauscht und brummt und die Zeit rauscht einfach vorbei. Sie duftet nicht. Es wird gehupt und der Andere auf seinen Platz verwiesen, bevor er sich entfaltet. Du solltest das ändern für die Leute, die Du liebst und schätzt. Solltest sie verrücken. Mit dem, was du kannst und gerne machst. 

Plus eine Sache, die zeigt, dass du erwachsen geworden bist, und mich jetzt nicht mehr brauchst. 

Damit ich um dich weinen kann (indem ich eigentlich um mich weine).


Danke, KI.


(Stille)

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Life Art / Aktivismus / Manie / Melancholie (mit freudlicher Beratung durch Boris Nikitin)

#LOHN ISCH DA (Podcast über Arbeitslosigkeit)

Janis Strobl -- mounts for musical instruments 2024 / Clare Gannaway