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T#RÄUME#N

 



Konzept von Janik Hauser

T#RÄUME#N

 

A b s t r a c t

Ausgehend von meinem Vorsprechen bei Ihnen am Theater möchte ich im Folgenden gerne ein Konzept für eine Theaterinstallation vorlegen, die sich an Familien, d.h. junges und erwachsenes Publikum richtet. Das Format ist low-budgétaire und als experimentell zu bezeichnen, weil es einerseits immersive Elemente zu entwickeln versucht, ganz allgemein jedoch auf die aufmerksamkeitslenkende „Dramaturgie“ von Literaturtheater (im weiteren Sinne) verzichtet.

a) Vorgeschichte

Während meiner Zeit als Dramaturgie-Student in Frankfurt hatte ich das Vergnügen als eine Art outside-Eye die Produktion ROOMS von der Performance-Gruppe Hella Lux entstehen zu sehen und insbesondere deren Arbeitsweise bezüglich Interviews sowie Licht- und Raumregie zu beobachten. Gleichzeitig habe ich im Seminargespräch an der Goethe-Universität im Rahmen des sog. „Coaching Dramaturgie“ die Gelegenheit genutzt, meinen Kommilliton*innen jene Erfahrungen zu berichten und im nächsten Schritt strukturiert kritisch weiterzuentwickeln, was diese Arbeitsweise an Implikationen birgt, wo sie an Grenzen stößt, was ihr weiterhelfen würde etc. Ich habe meine dahingehenden Konklusionen im Rahmen von einem „kleinen Schein“ in ein theoretisches Gewand gegossen und in einem Blogartikel essayistisch aufbereitet. Seitdem, ich kann nicht genau sagen, wieso eigentlich, beschäftigt mich die Produktion aber immer wieder. Mit einem Jugendfreund, der in einem Münchner Inklusionstheater arbeitet,  habe ich in der Folge daran getüftelt, wie man ein Stück mit dem Gegenstand „Raum“ breit(er) und inklusiv aufstellen kann.

Die Geschichte um den umstrittenen Abriss des Uhrmacherhäusls in München hat mich bei Recherchen zum Baurecht ereilt und sogleich fasziniert. Wer hat hier über die Dekaden hinweg gelebt und das Viertel geprägt? Was erzählt die bauliche Eigenart des Hauses über die Zeit seiner Errichtung und die Lebensart der Bewohner*innen? Schließlich: Wie kann man als nicht vorgebildeter Mensch an einer Archäologie des Alltäglichen teilhaben, die das Abwesende sicht- und dem Raum seine „Unschuld“ streitbar macht?  Im Rückgriff auf ein Bild aus Rilkes Malte Laurids Brigge (das abgerissene Haus und die „Ritzen“) habe ich mich gefragt, wie sich Erinnerungen und Gefühle von Individuen in bauliche Anlagen einschreiben, wie umgekehrt die „Gesichtszüge“ einer Stadt dem Einzelnen ein Gefühl vermitteln, und schließlich auf welche Art diese Thematik für das Theater interessant und verhandelbar wird.

 

b) Theoretisches „Gestell“

Hierbei gehe ich von einem Begriff des Raumes aus, der sich insbesondere im Rückgriff auf zwei Seminare von Ulrike Haß als Gastdozentin an der Goethe-Universität ausdifferenziert hat. Der Raum wird dabei nicht als container betrachtet, der lediglich die Funktion hat, menschliche Tätigkeiten und Bedeutungen in sich aufzunehmen. Vielmehr erklärt sich seine Vielschichtigkeit, wenn er als System von Bedeutungen und Machtbeziehungen und als in ständigem Austausch mit anderen Räumen begriffen wird (wodurch seine Grenzen „ausfransen“). Dadurch ist seine Gestalt dem Wandel unterworfen, wobei -- synchron betrachtet -- an ihm stets Interessenkonflikte sichtbar werden.

 

c) Vorgehensweise (so will ich arbeiten, das will ich mich fragen)

Zunächst gilt es zu eruieren, ob und wie dieses „archäologische Interesse am Raum“ in den Kontext des Theaters an der Rott eingepasst werden kann. Gibt es vor Ort einen ähnlichen „Schauplatz der Geschichte“, wie in München das Urmacherhäusl? Welche Entwicklungen macht die Stadt und wo gibt es diesbezügliche Kondensationspunkte? Ein anderes, eher selbstreflexives Thema könnte der Umzug des Theaters in seine neuen Räumlichkeiten sein. Was bedeutet es für die Menschen vor Ort, wenn ihr Arbeitsplatz „umgetopft“ wird und was macht ein Umbau eines liebgewonnenen Ortes mit den dort angehefteten Erinnerungen der Zuschauerschaft? In zwanglosem Kontext möchte ich hierzu mit verschiedenen Protagonist*innen des Stadtgeschehens Gespräche führen, aus denen Fragmente gewonnen werden könnten, die in der begehbaren „Aufführungssituation“ vergrößert und in einen anderen Kontext wieder auftauchen.

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt soll auf der Frage liegen, wie (junge oder zugezogene) Menschen sich einen urbanen Kontext „erschließen“. Welcher Blick dabei zum Einsatz kommt, und von welcher Seite sich die Orte selbst „zeigen“. Hierzu soll ein kleinformatiger Jugendclub/Bürgerbühne entstehen, der mit Methoden der Bürgerbühnen-Arbeit „junge Forscher*innen“ zum Improvisieren und Hinterfragen von räumlichen „Gegebenheiten“ anregt. Diese Spieler*innen und Experten könnten gegebenenfalls in der Aufführungssituation einen Chor formen, der das „museale“ Geschehen aufwühlt und einen gleichsam lebendigen und polyphonen Kontrapunkt zu den „Stimmen aus dem Off“ bildet. 

 

d) Rückführung in eine Gestalt (so wird es vermutlich aussehen)

Die eigentliche Aufführungssituation soll durch die Konfrontation der Anwesenden mit zwei gegenläufigen Raumkonzepten strukturiert werden. Der gemeinsame „walk“ durch diese „Geisterbahn“ beginnt „im Haus“: Der (Interims-)Theaterraum wird durchleuchtet und somit entzaubert. Qua Ausstellung seiner technischen Vorrichtungen und seiner baulichen Notwendigkeiten kann er eine Bedeutung erhalten, die man ihm sonst nicht genuin zuschreibt, nämlich als ein statisches Gebilde. Die Zuschauer sollen dabei über Kopfhörer zeitversetzt an verschiedene Orte der „Installation“ geleitet werden, wodurch ein Setting musealer Kälte (Audioguides) und Nüchternheit provoziert wird. Nach und nach entsteht durch die Bühnentechnik eine fragmentarische Simulation des Stadtraumes („Bretter, die die Welt bedeuten“), dem aber ohne die ihn benutzenden Schauspieler bzw. Passanten das Leben fehlt.

Sodann setzt sich jedoch (auf Anregung des Chores) der Tross gemeinsam in Bewegung und verlässt für den zweiten Teil den sicheren Hafen der Kulturinstitution. Mit dem Eintauchen in den Stadtraum wird das räumliche Dispositiv sodann invertiert: Der (vormals nur beschriebene und angedeutete) Ort wird realiter aufgesucht, erweist sich jedoch als veränderbar und fluide. Die Frage soll eminent werden, wie der Ort denn eigentlich sein könnte. Die vor Ort errichteten Gestelle und die platzierten Objekte sind Anstoß zum mitmachen, kaputtmachen, stören und neu bauen. Ich beziehe mich dabei auf die eindrückliche Arbeit Worktable von Kate McIntosh, 2011. Inzwischen haben die Teilnehmer auch keine Kopfhörer mehr auf, sondern empfangen ihre Richtungsweisung und die Lenkung der Blickrichtung (mehr schlecht als recht) nur noch über das polyphone Stimmengeflecht eines abebbenden und diffundierenden Chors, der sich nach Hause verabschiedet, ehe es Abend wird.

 

e) Praktisches „Gestell“

Als Debütarbeit nach einem langen Studium werde ich keine überzogenen Gehaltsforderungen stellen (können). Sinnvollerweise wird die Arbeit von einem Theaterpädagogen betreut und stößt auf eine experimentierfreudige Bühnentechnik. Über jedwede Arbeitsbeziehung ist unbedingt ein Werkvertrag anzufertigen, der beide Parteien bindet und Klauseln zur Ausfallhaftung beinhaltet. Nach ggf. abschlägigem Bescheiden vonseiten des Theaters an der Rott behalte ich mir vor, die Projektskizze im Rahmen einer Förderanfrage an das Kulturreferat in München einzureichen. Eine Entscheidungsfrist von nicht über vier Wochen ist hierbei nach mündlicher Absprache optimalerweise festzusetzen.

 

 


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