Dramaturgie-Studiengang / Begriff der Arbeit

Sodala. Bald fertig mit Dramaturgie-Master und erstem Staatsexamen. Zeit für eine kleine Bilanz 


Neulich hat mich ein Kumpel aus Jugendtheater-Zeiten angeschrieben. Was ich so mache. Wir könnten ja mal was zusammen arbeiten. 


Arbeiten. Auch so ein Begriff der inzwischen so speckig ist, wie die Löwen an der Feldherrnhalle. Furchtbar abgegriffen. "Meine neue Arbeit (diesdas)", ich habe "viel zu Raum gearbeitet", ich beschäftige mich in meiner "Arbeit viel mit Formen". So reden die ganzen Kulturheinis über ihr täglich Brot. Man betont gerne, dass da und dort "gearbeitet" wird. Wenn man dann nachfragt, woraus die Aktivität denn so besteht, kommt häufig zurück: über 80 % Selbstvermarktung. "Sich immer wieder ein neues Brand geben". Fördergelder akquirieren, sich für künstlerische Residenzen bewerben. Klingt nach wirklich mühsamem Shit. Nicht die individualistische Freiheit, die einem einst um den Knöchel geweht ist, in der Zugluft der Künstlerkantinen großer Stadttheater, als wir noch jung waren, verblendet und voller süßer Illusionen. 


Ich glaube übrigens daher dieser Fetisch um das Wort "Arbeit". Etymologisch kommt das ja irgendwie von Mühe. Also etwas, das anstrengend ist. Würde jetzt aber niemand als Arbeit bezeichnen, wenn man drei Stunden pro Woche mit seiner dementen Oma telefoniert. Ist auch anstrengend. Aber irgendwie eher als "Freizeit" gelabelt. Naja, vielleicht ja auch, weil dabei nichts produziert wird. Oder es dafür in der Regel kein Geld gibt. Nichts vorzeigbares bleibt davon übrig. Und wenn man dann fragt, woraus so eine künstlerische Arbeit denn besteht, dann ist das viel "ausprobieren", "sich einem Impuls hingeben", "spielen". Also auch nicht unbedingt die mühsamsten Sachen. Ich glaube in einer Behörde zu sitzen und die immerselben Formulare ausfüllen, damit irgendein Asylbewerber* zu seinem Recht kommt, macht etwas weniger Freude vielleicht. Aber ungleich mehr Mühe. Weshalb ja auch die ganzen Leute außerhalb der Theaterszene nur schwer verstehen, warum dort so eingängig über Bedeutungsverlust und Finanzierungsdefizite geklagt wird. Eine immense Gemengelage, schwierig sich dort auf irgendeine Seite zu stellen. Aber meine Intention mit diesem Text ist auch nicht vordergründig eine politische oder soziologische, sondern eher eine semiotische: Warum ist dieses Wort "Arbeit" den ganzen Leuten so ungeheuer wichtig? Ist es die eigene Angst womöglich, dass das eigene Schaffen nicht als "Arbeit" in einem gesamtgesellschaftlichen Sinne anerkannt wird? Ich vermute, dass es in die Richtung gehen könnte.


Und dann vielleicht auch schlicht die Angst vor der Arbeitslosigkeit. Ich weiß nicht, wie viele Absolvent*innen meines Drama-Studiengangs inzwischen an einem Produktionshaus in Lohn und Brot sind. Wie viele von ihnen einen Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit bestreiten können. Eine Familie versorgen. Ich könnte mal herumfragen. Aber ich bin überzeugt, es wären nicht mehr als jede*r fünfte. So wird das Wort Arbeit zu einem Totem in einem Bewusstsein, das von der Angst vor der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit getrieben ist, einer Angst, deren sachgründige Substantiiierung man sich eventuell vordergründig widmen sollte, anstatt über stumpfsinnige Beschwörungsrituale eine gesellschaftsgestaltende Tätigkeit sprachlich zu sublimieren.


Ein anderes Thema wären die Fristen in diesem Studiengang. Die mitunter nicht vorhanden sind. Das schafft Freiheit bei den Studierenden. Aber gleichzeitig auch ein Klima von Orientierungslosigkeit. Von Irrelevanz. Von intendiertem infiniten Progress. Ja, es scheint mir, das beschreibt meinen Dramaturgie-Studiengang am treffendsten: Eine zähe, snobistische, missgünstige Asymptote an den Status des perfekten griesgrämigen sozialphobischen Foucault-Jünger. Dies dann mit der Aussicht auf eine Nichtbeschäftigung an deutschen Stadttheatern.      


Und dies alles in einem Umfeld, das nicht genug bekommen kann von Worten wie divers, problematisch diskriminierend. Wo man* sich dann immer fragt:  Wie divers seit denn eigentlich ihr? Eine Professur, diese bürgerlich-männlich.  So wie ich das sehe ausschließlich Leute mit Akademiker*-Background. Bestes Alter, hippeste Klamotten, beste Körpermaße, feinster Ausdruck in der Sprache. Hang zu Altbauwohnungen. Also irgendwie habe ich manchmal den Eindruck, mein Jurastudiengang ist da mitunter diverser... Aber vielleicht schmeckt der Wein auch einfach besser, wenn man Wasser predigt. Dann ist wenigstens noch der Geschmack von Entsagung auf der Zunge...


Aber all dies ist im höchsten Maße diskussionswürdig. Ich denke, insofern es angebracht wäre, sich kritisch zu hinterfragen in diesem Umfeld, würden dabei auch schöne Diskussionen herauskommen. 


Wir freuen uns also auf die Zukunft und verbleiben mit einem wie immer inbrünstigen 


Glück Auf!


 


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