über yung hurn

Also Yung Hurn,

bin draufgekommen wegen einer Kammerspiele- Inszenierung

davor, als Freunde mir das empfahlen hatte ich es nicht ernst genommen.


Na bravo.

Egal,

jetzt bin ich irgendwie fasziniert.

Und kann nicht verorten von WAS

Ich glaube, das ist das, was gute Kunst macht.

Also nicht so wie die nervige Eröffnungsaufführung der RT 18

Ich möchte 4 Annäherungsversuche wagen, meine Faszination zu umkreisen.

1 Approach - Die Instragramm-Generationen greift nicht mit Zueignungsabsicht nach den Dingen weil diese ihren Protagonist*Innen nur Kulisse sind. Wertvoller als sie zu besitzen, ist der Anschein, sie zu besitzen

Die Objekte, der Feuerlöscher zum Beispiel liegen einfach so herum. Deshalb würde man es sich zu einfach machen, wenn man, wie auch bei Bilderbuch geschehen von einem absolut affirmativen Verständnis zum Materialismus à la BLING RING ausgeht. Diese Bildpoesie von Y H zeigt eher das Abstoßen, das desinteressiert liegenlassen der materiellen Außenwelt.

Das passt zu den Füßen, die am Anfang von Blumé über den Rücken und das Gesicht streicheln: Das Taktile. Es ist, ganz im Schnitzlerschen Sinne übrigens, wie passend dass der Bursche aus Wien kommt, momentan definitiv.

2 Approach - Rückeroberung von Sprache

Kann man einen Text "unverbraucht" sprechen, wie es die Nachtkritik-Rezension zu Young Faust nahe legt? Ich finde diese Beobachtung für gewisse Rahmungen sehr plausibel. Text auf dem Theater oder in der Liedzeile wirkt häufig viel zu krank kuratiert. Irgendwie in den Raum gehängt, mit unerträglicher Feierlichkeit, grelle Scheinwerfer auf ihn gerichtet, dass er blinzeln muss, und so nicht zurückblicken kann, wie die schwarze Magd von Brat Beyley (heißt der so?). Das liegt an dieser über-Phonetik von den auf Bühnensprache getrimmten Schauspieler*Innen. Zum einen. Aber nicht nur. Auch an einem Klappentext-Denken, das Markenbranding ist. Das, was im Reclamheft des Deutschschülers unterstrichen ist, kann der Darsteller später nicht mehr so leicht neu denken / Manche Floskeln aus Liebesliedern, die man im Werk Y Hs wiederfindet hingegen, sind auf andere Weise dort hingekommen. Sie repräsentieren lediglich das Bedürfnis etwas ausdrücken zu wollen. Und benutzen abgenutzte Worte trefflich als Verweis auf die Kapitulation der Rede vor der Undurchdringbarkeit des Reichs der Ideen. Es ist diese collagierende Freiheit, der Verzicht auf Kohärenz unter gleichzeitiger Sichtbarmachung des Klebemittels, was wiederum Verweis auf das Gestell ist, aus dem das Werk hervorgeht, was mich fasziniert. Wenn Kunst sich gegenüber allen Regeln der Kunst emanzipiert. Der fettige Fingerabdruck der Künstlers nimmt der glänzenden Oberfläche des Werkes ihre Unschuld.

3 Approach - Schluss mit nerviger (faust'scher) Hypermaskulinität

Die Gesichtszüge des Rappers sind weich. Der Schnauzer ist auf eine harte Linie getrimmt. Aber das falsifiziert ihn. Eitelkeit zu deutlich ausgestellt, wirkt auf die meisten feminin. Bei den Frauen, die in den Videos auftauchen fragt man sich manchmal, ob diese seine Freundinnen sind, beste Freundinnen, die alle Sorgen und Langeweile mit ihm teilen und deshalb mit ihm kuscheln können, ohne dass dies einen erobernden Gestus bekommt, wie ihn die anderen HipHop-Videos nahelegen. Der Besitz klebt am Geldverdiener. Und dann wird die Liebe besungen. Nicht als Minnesang, der bedeutet, in Vorleistung zu gehen um sodann die Frau als Tauschobjekt zu erhalten. Sondern anders. Wie genau, kann ich nicht sagen. Vielleicht über ein "Herzgefühl" (Antoine), das man vorübergehend besitzt, wie eine schöne Bomberjacke, das eine vorübergehende Pathologie ist. Jedenfalls nicht drängend und dringend eindringend wie Heinrich seine liebe, die kühn den Keim setzt zu neuem Leben, neuer Zerstörung, die sodann von selbst wächst.

4 Approach - Keine Angst vor Sex

Es wird viel ge"baby"t in der Welt des Y H. Und wahrlich haben die Protagonistinnen Gesichtszüge, die zwingen, Volljährigkeit wohlwollend zu vermuten. Aber Y H schont sich nicht. Und nicht sein sexuelles Umfeld. Die Zeichensprache der Videos ist auf der Suche nach einer profunden Erotik. Der Rauch, der aus dem Rachen aufsteigt. Sich gegenseitig rasieren. Das alles ist geschult an der Inszenierung von Sexualität durch die Erwachsenenwelt. Aber es rasselt an eine Wand der Zensur.  Die auch die Erwachsenenwelt erfunden hat. Die Eltern hören mit. So heißt es sinngemäß in einem Song zu einem entfesselten gewalthaltigen Geschlechtsakt. Aber diese Sphären werden gegeneinander ausgespielt. Das ist das befreiende Momentum. Ähnlich wie das Erdogan-Gedicht von Böhmermann besteht die Strategie darin, das Verbot zu benennen, es mit einem charmanten Lächeln zu übertreten, sich auf den zugewiesenen Platz zurückzuziehen, um dann aber sagen zu können: Drüben wars krass. Wenn ich das alles erzählen dürfte, wäret Ihr Diesseitigen vermutlich ganz schön schockiert. Dieser Prophetische Gestus ist lustig, beeindruckend, und lässt den Blick des Rezipienten* in der besten Weise kippen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Life Art / Aktivismus / Manie / Melancholie (mit freudlicher Beratung durch Boris Nikitin)

#LOHN ISCH DA (Podcast über Arbeitslosigkeit)