WALD #SCHRAT
oder
Bußgang entgegen der Ästhetisierung der Politik
Bereits das Konzept der “Katastrophe” (ebenso Krise, Zeitenwende, Peripetie) etwa zur Beschreibung von zeitgenössischen kriegerischen Auseinandersetzungen, barbarischen Terroranschlägen oder thermischen Umwälzungen verdient keine Zustimmung. Denn es stammt aus einem Geschichts- und Menschenbild (überform durch 2000 Jahre Gattungspoetik), das den handelnden Einzelnen als Spielball göttlicher Kräfte inszeniert, seinem Werdegang eine Teleologie unterstellt und ein bedrückendes Geworfen-Sein in die Existenz leugnet, wie Andere den menschengemachten Klimawandel. Es droht durch diese Rede unter den Tisch zu fallen, dass ein jedes Massaker als Produkt menschlicher Entscheidungen gelten muss, Vergewaltigungen als Kriegswaffe, Hungersnöte als mitunter kalkulierte Strategie, um einen Sieg zu erzwingen. Fingiert wird durch sie eine Andersheit des Bösen, externalisiert die Verfehlung. Im Endeffekt erscheint diese Rede gar als Strategie moralischer Selbstvergewisserung, die zwar verständlich ist, in Zeiten großer Verunsicherung, aber nicht zur Politisierung beiträgt. Sie dient der Exkulpation, untergräbt aber jede Motivation. Dasselbe gilt für den Versuch, eine empfundene Abgekoppeltheit vom Weltgeschehen (meine Gasrechnung wird zwar höher, aber was soll ich tun, um den willkürlichen Angriffskrieg in anderen Teilen der Welt zu beenden?) umzukehren, indem sie als MOTOR KÜNSTLERISCHEN SCHAFFENS umgedeutet wird. Dies sublimiert ein Ohnmachtsgefühl, das das Potenzial hätte, eine Ästhetisierung der Politik zu erkennen (wie sie oben beschrieben ist) und daraus radikale Schlüsse zu ziehen. Jedenfalls ist diese Deutung den Idealen des Bildungsromans verhaftet, die in der Postmoderne nur noch hoffnungslosen (sic!) Romantiker:innenn Trost verschaffen können. Ein Trost wie Opium für eine privilegierte Untergruppe des Volkes.
Es bedarf also einer Umkehrung der Sündenrichtung. Einer Austreibung der Geschäftigkeit und einer Abkehr vom Medienkonsum. Zumindest für die Dauer einer Almresidenz. Ich möchte daher, in Anlehnung an das Theater der Grausamkeit von Antonin Artaud, eine Dramaturgie des Albdrucks entwickeln. Jeden Tag werde ich einen Bußgang machen zB zwischen Waakirchen und der Hütte, geschmückt mit Blättern und Zweigen, barfuß. An dessen Ende eine bescheidene Bibellesung. Sonst Schweigen. Wenn ich tiefer in den Wald gehe, dann nur um zu schreien. Aufgezeichnet mit dem analogen Grundig Diktiergerät, mit dem mein geschätzter Großvater seine Urteile diktiert hat.
Geld brauche ich dafür natürlich keins. Streng genommen nicht mal einen Platz bei der Almresidenz. Allerdings würde ich gerne bei der diesbezüglichen Vernissage (eben als Schrat) eine kleine Performance machen, während der Wein gegurgelt wird und das Diktiergerät meine einsamen Schreie in das Dickicht der Städte transferiert.
Anm.: Es ist mir ein großes Anliegen, mit meiner Bewerbung meinem Freund Jules den Platz nicht zu beanspruchen, weshalb ich im Falle einer Konkurrenz zurückziehen möchte.
gez. Janik Hauser
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