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Antisemitismusdebatte:Die Uni-Präsidentin verdient eine zweite Chance

Lesezeit: 2 min

Geraldine Rauch, 41, Mathematikerin, seit April 2022 die Präsidentin der Technischen Universität Berlin. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Geraldine Rauch, die an der Spitze der TU Berlin steht, hat einen klar antisemitischen Post gutgeheißen – allem Anschein nach aus Fahrlässigkeit, nicht aus Überzeugung. Doch die Debatte um sie eskaliert trotzdem.

Kommentar von Jan Heidtmann

Braucht noch jemand Anschauungsunterricht, wie schwer es hierzulande geworden ist, rational das Thema Antisemitismus zu besprechen? Dann lohnt es sich, nach Berlin zu schauen, an die Technische Universität (TU). Deren Präsidentin, Geraldine Rauch, steht gerade maximal auf dem Prüfstand. Von ihrem Amt will sie nicht weichen, ihre Kritiker wiederum beharren darauf. Wie dieser zum Duell eskalierte Konflikt enden wird, ist noch offen. Was sich aber abzeichnet: Bei diesem vertrackten Thema scheint es unmöglich zu sein, irgendeine Form von Konsens zu finden.

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Manche wollen ihr einfach nicht vergeben

Klar ist, dass sich die TU-Präsidentin selbst in diese Lage gebracht hat. Geraldine Rauch versteht ihr Amt politisch, sie hat eine linke Agenda und sie ist eine Kritikerin der israelischen Regierung. Auf der Plattform X hat sie einen Post mit einem Like versehen, dessen Bildsprache eindeutig antisemitisch ist. Rauch hat dafür um Verzeihung gebeten, bei den Mitarbeitern und Studenten der TU, dazu schriftlich beim Zentralrat der Juden und beim Botschafter Israels. Sie hat überzeugend dargelegt, dass sie keine Antisemitin ist. Sie sagt, sie habe dem Post aus Unachtsamkeit ihre Zustimmung gegeben.

Klar ist auch, dass der TU-Präsidentin nicht vergeben werden soll. Der Zentralrat der Juden verlangt weiterhin ihren Rücktritt und spricht von einem „unwürdigen Vorgang“. Die CDU Berlin sagt, Rauch sei „unhaltbar“ und fordert ebenfalls von ihr, das Amt niederzulegen. Am Donnerstag erreichte die Debatte schließlich den Bundestag: Dort verlangte CDU-Chef Friedrich Merz vom Kanzler, die Mathematikerin Rauch aus dem Zukunftsrat der Bundesregierung zu weisen. Dem schloss sich Olaf Scholz einen Tag später an.

So weit, so übel. Die öffentlich vorgetragene Unerbittlichkeit verhärtet die Fronten dort weiter, wo Bedacht angezeigt wäre. Denn die Angriffe auf Rauch haben der Reputation der Hochschule mindestens genauso geschadet wie die Likes der Präsidentin. Die „Unhaltbarkeit“ von Geraldine Rauch ist längst auch eine Folge der teils persönlichen Attacken auf sie.

Besetzungen gab es an der TU bisher nicht

Natürlich hat sie als TU-Präsidentin grob fahrlässig gehandelt; die Frage ist vollkommen berechtigt, ob sie damit dieses Amtes noch würdig ist. Viele, die an der TU studieren und arbeiten, halten der Präsidentin aber auch zugute, dass sie all die Debatten an der Universität seit dem Massaker der Hamas gut moderiert hat. So ist es, anders als an anderen Universitäten, an der TU bisher nicht zu Besetzungen durch propalästinensische Gruppen gekommen. Und Rauch hat angekündigt, aus ihrem Fehler lernen zu wollen. Dazu gehören eine persönliche Sprechstunde für jüdische Studierende und mehr Beratung für Betroffene von Antisemitismus. Bei Protesten gegen jüdische Studenten wolle sie sofort einschreiten. Daran sollte man sie jetzt messen.

Rauch selbst hat ihre Antwort auf die Frage nach ihrer Amtsbefähigung gegeben. Alles Weitere müsste eigentlich das Kuratorium der Universität entscheiden, das am Montag zusammentritt, anschließend dann der Akademische Senat. Und nicht der Zentralrat der Juden oder die CDU. Aber dazu wird es voraussichtlich nicht kommen. Mit dem Rauswurf aus dem Zukunftsrat der Bundesregierung scheint die Eskalation des Falls zu weit fortgeschritten zu sein. Dabei hätte aus dem Fall Rauch auch etwas Positives entstehen können: eine zweite Chance für die TU-Präsidentin und damit ein Beispiel dafür, wozu eine vertrackte Debatte auch führen könnte.

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