Bitte aus dem Småland abholen / Ersatzgerichtsbarkeit / Repräsentation / Gerede
In der Kantine wird geprahlt. Das war schon immer so. Kantine ist Dauerkarneval. Oder Oktoberfest. Die ganze Wucht des übers Jahr unterdrückten Triebgeschehens kommt da heraus. Das steht so auch in Heinrich Manns MEPHISTO. Da finden die Hahnenkämpfe statt. Es scheint der Ort der Zuengung zu sein, während die Probebühne für Ausweitung steht. Und die Garderobe für Intimität. Da, wo man die heimlichen Fotos macht, die man dann bei der staatlich subventionierten Semmel und dem Selbstkostenbierchen publiziert.
Und es wird geredet. Das Gerede ist für viele, die nicht an Wahrheit glauben, das liebste Verfahren ohne Regeln. Sie feiern sich im Gerede als virile Zerstörer. Als Justitia mit Lederjacke und dem scharfen Schwert der Polemik. Und der retrospektiven Reformation: "Warum haben denn die Booking-Agenturen beim Herrn im Himmel nicht untereinander kommuniziert um so etwas zu verhindern...?" (Waffengesetzenarren). Es ist dies ein vorgeblich Anteil nehmender Gestus der sogenannten Knallzeugen, die damit die Tragweite des Skandals allerdings rhetorisch verkleinern. Entmenschlichen.
So wie es das Ziel mit dem Delinquenten ist. Es hat eine bestechende Logik, dass dies mit einem Mimen, mit dem man sich gesteigert identifiziert hat, umso lauter, wortreicher und gnadenloser geschehen muss.
Nachgeschoben dann noch die Frage, warum der denn trotz brodelnder Gerüchteküche trotzdem noch so gute Rollen bekommen hat. Eine Social-credit-point-system-Argumentation mit ein bisschen Neiddebatten-Elementen -- perfekt anschlussfähig für den Kantinentalk der kleinen Leute, die wenig zu verlieren haben, aber auch kein Interesse, etwas zu verändern. Das ist insbesondere gut für bierschwangere Zustimmung. Für Klicks und Teambuilding. Ich vermute, den Beteiligten bringt es wenig.
Endgültig dissonant, diplomatisch gesprochen, wird die Argumentation meines Erachtens nach, wenn die Unschuldsvermutung sodann im vermeintlichen Dienste des Feminismus geopfert wird. Es wird darauf abgestellt, das Narrativ der wildgewordenen enttäuschten Exfreundin habe leider zu oft verfangen, weshalb eine Überführung des Delinquenten erschwert worden sei. Diesem Problemaufwurf -- und so ist das häufig bei vermeintlich empathischem Empörungstalk -- folgt aber kein Lösungsvorschlag. Würde wahrscheinlich auch blöd klingen, wenn man den Gefahrverdacht zum neuen Urteilsspruch erheben würde. Dennoch hat man das Gefühl, die Autorin wünscht sich das insgeheim.
Sie ist sicherlich nicht die einzige.
Soweit haben sie uns schon.
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