Nie nie wieder -- arbeiten gehen von eins bis acht

 Liebe Insa,


etwas an deinem Aufsatz hat mich beeindruckt. 


Eine sprachliche Totalreduktion, glaube ich. Keine Metaphern. Kein Intellektualismus. Zoom auf das betroffene Körperteil. Naturalismus. Sekundenstil. Wäre ich klüger, könnte ich vielleicht sagen: materialistische Prosa.


So kenne ich Dich, wenn ich mich recht erinnere, auch aus Gesprächen. klar, entschieden, dabei nicht menschenfeindlich. Haben wir uns im Tannenbaum mal über die Agentur EHRLICHE ARBEIT unterhalten? Ich denke doch. Fällt mir grade wieder ein. 


Was machst Du jetzt? Gab es einen Paradigmenwechsel? Eine neue Erkenntnis? Eine Königsweg-Überlebensstrategie? Möchtest Du sie mir bitte verraten? Oder immer noch kluge Kombination von Schmerzmitteln?


Ich fand es sehr respektabel, dass Du in der nötigen Unentschiedenheit skizziert hast, warum man das eigentlich macht, sich in solche künstlerischen Kontexte mit "Ausbeutungs"-Tendenz (vielleicht ist bei diesem Begriff etwas Vorsicht geboten) zu begeben. 


Dass es womöglich auch damit zu tun hat, dass man geliebt werden will und dass man emotional von (der Simulation) gebraucht zu werden profitiert, während sie einen herunterzieht. Nicht umsonst redet man von dem Theaterhaus als Ersatzfamilie.


Schon seit langem bin ich an der Frage dran, wie das aussehen könnte. So ein Theatermacher*-Alltag, der einen nicht bis zur Unzufriedenheit aufreibt. Bisher musste ich mich noch nicht committen, weil mein Studium so super lang dauert. Und ich für nie mehr als 600€ im Monat gelöhnt habe. Aber jetzt gegen Ende meines Welpenschutzes stellt sich die Frage immer drängender.


Brotverdiener-Job an 3 Tagen und den Rest der Zeit spannende dramaturgische Aufgaben machen? Das wäre ein realistisches Szenario für mich. Aber wo nehme ich diese Möglichkeit, mich in spannende Fragen zu involvieren, bitte her? Gibt es an Häusern halbe Dramaturgen-Stellen? Und wenn nicht: kann man part-time in der freien Szene arbeiten? Dein Aufsatz legt nahe, dass das (noch zumindest) nicht der Fall ist. 


Aber muss das eigentlich sein? Ist es in der Sache der Kunst selbst angelegt, dass deren Produktion derart ausufernd vonstatten gehen muss? Wo ist die Verschwendung, die es auszumerzen gilt? 


Vielleicht würde es Sinn machen, mal eine Wirtschaftsprüfer-Gesellschaft auf diese ganzen Prozesse anzusetzen, um das herauszufinden. Der Volksgesundheit prekär Beschäftigter wäre damit zumindest ein großer Dienst erwiesen.


Aber na ja. Ich werde schon wieder unrealistisch. Eigentlich backe ich ja ganz kleine Brötchen. Immer noch hoffend auf ein Erweckungserlebnis im Hinblick auf die Frage: wie will ich eigentlich leben?


(als wäre ich JETZT noch nicht geboren)


Fest steht nur


Nach der dritten XANAX


Und dem vierten Glas Grauburgunder.


Ich muss es ändern


Und das schon bald 






Lesetipp: „Theatermachen als Beruf – Hildesheimer Wege“

Herausgegeben von Wolfgang Schneider und Julia Speckmann (228 Seiten, Theater der Zeit).






  

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