Schauspielschulen / Digitalisierung als Vorwand / Gestell

 Liebe Otto Falckenberg-Schule


Schauspielschulanwärter*innen befinden sich, das werden Sie am besten wissen, in einer vulnerablen Lebenslage.


Sie sind dabei, den Mut aufzubringen, ihren Lebenstraum zu verfolgen (berühmt zu werden, arm zu bleiben, reich an kreativen Gestaltungsangeboten und unverhohlenen Einladungen auf einen Wein), was zwangsläufig viel mit der eigenen Identität und dem eigenen Selbstwert zu tun hat.


Das sieht man zum Beispiel an der Influencerin Kasia Lenhardt, der ihr begrüßenswerter Erfolg sehr zu Kopf gestiegen ist.


Es ist daher wichtig, dass man auf diesem Weg RESPEKT erfahren darf. Ein sorgsames Miteinander. 


Aber dafür ist das digitale Korsett, in welches meine Bewerbungsvideos passen müssen, einfach zu eng. 50 MB für drei Videos. Das ist nicht zu leisten. Und aus dem Zivilrecht wissen wir: impossibilum non obligatur.


Wo aber stehe ich in dieser Gleichung? Ist meine Alternative, dass ich dann gar nicht gesehen werde?


Nie, von niemandem? Denn wenn Ihr mich nicht seht, also ich meine mich persönlich, also in Personam, also mich als Person, wenn Ihr da nicht seht, wie einmalig wandlungsfähig ich bin, wie präsent meine Präsenz ist, dann wird mich niemals jemand zu sehen bekommen.


Dann bleibe ich, auf immer, gleichsam unsichtbar.


Vielleicht ist ja alles nur ein großes Versehen. Meine Obligation, mich bis zur Unkenntlichkeit zu verpixeln, Euch nicht als physisches Phänomen gegenübertreten zu dürfen (ein verkörpernder ohne Recht auf Körper) ist vielleicht einfach Bequemlichkeit oder Sachzwang. Aber ich stehe hier vor dem Eingang zum Gesetz und habe keine Stimme um Einlass zu erbitten. Schlicht weil der Upload-Prozess eine nie enden wollende Farce ist. Eine Dauerschleife der Demütigung Digitalisierter.


Ich bitte Euch : Erhöret mich.


Und sei es ich eile Euch mit geliehener Pferdekutsche entgegen, meine offenen Wunden auf einem fingernagelgroßen Datenträger sicher verstaut, durch die Widrigkeiten der Witterung nicht verzagt, und schmeiße meine ganze Rauheit der Stimme in einer Mikrodose, einem vielfach replizierten Zerrbild Euch zu Füßen.


Wie es auch sei. Und wenn nur ein Flüstern noch bleibt.


Hört mich an.


Herzlich 


Ihr 


Janik Joseph-Liefers  

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