Metaverse / Hungerkünstler

Verdoppelt allein


Als ich neulich bei Melanchon in Aixe auf der Kundgebung war, überkam es mich plötzlich wie ein Schauer.


Schon in meiner ehemaligen WG in Offenbach hatte ich Onlinepoker im virtuellen Raum gespielt, mir gegenüber ein Zigarre rauchendes Schlangenwesen mit Pokerface und eine aufdringlich vollbrüstige Oligarch:innenentochter. Ihre Bewegungen abgehackt und in ihrem Radius begrenzt. Dennoch körperlich kopräsent. Wäre ich Strache gewesen, ich hätte versucht, mich ihr zu nähern. 


Nun dachte ich:

Was, wenn uns Zuckerberg in diese neue Realität, dieses neue Normal mitnimmt, wo ich mit Sophie Passmann und Robert Habeck am Tisch sitze und sie alles fragen kann, was ich möchte? 


Sophie, wie findest Du Freiburg im Vergleich zu Berlin und München? Benutzt Du wirklich keine Hautprodukte? Robert, wenn Du sagst, die Kränkung des weißen alten Mannes sei im Kern eine Kränkung des Logozentrismus und zeige den Zerfall "westlicher Metaphysik", wie passt dann W. Selenskiye in Dein Bild? Und hast Du damals, als Du dir die Care Work mit deiner Frau 1:1 geteilt hast, auch schon diesen bescheuerten Begriff dafür verwendet und dann vor deinen woken Freunden genötigterweise daraus Kapital geschlagen, dass Du nicht-ganz-so-sehr-patriarchal bist? Und was würde eigentlich Hannah Arendt zu diesem Begriff sagen, fragen wir sie doch einfach selbst...


Und Schwupp, steht ein Hologramm-Aschenbecher auf dem Tisch und die schrullige Alte referiert über die Little-Rock-Hisghschool und darüber, dass Diskriminierung im Privaten total okeee sei, und dann noch Yagobifarah dazuholen und BOOOM, der Abend explodiert, wie die Coronaparty von Richard David Precht


Wo sonst nur staubkleine Scherben die Diskurslandschaft (Twitter) glitzern lassen, könnte Mark den Zerbrochenen Krug wieder heile machen, aus dem wir dann alle gemeinsam trinken.


Ist der Körper nur Symbolischer Überschuss? (https://verfassungsblog.de/lockdown-fur-alle/) 


Und auf einmal, während das blasse Melanchon-Double seine schalen Phrasen von sich schleudert, spüre ich: in dieser Welt will ich leben. Ich möchte, dass es kracht! 


Und wenn mein defizienter Körper, dieses schlappe, fette, alternde Stück Fleisch, dass keine Junghyäne mehr anknabbern würde, mich auf diesem Weg zum Ozeanischen behindert, na dann ist er eben ein zu Überwindender geworden. Die Zeiten ändern wir.


Und so übereigne ich, dem Hungerkünstler gleich, mich dem Strom der Zeit, mein Sterben als einzige Wunde einer viril-gesundenden Gesellschaft entgegenschleudernd. 


Ps: Hannah Arendt hat sich mit Boris Palmer besonders gut verstanden. Und in seiner VR hat der gute Akif sich wieder mit Luisa versöhnt, die sehr viel Verständnis dafür hat, dass sein geleaster 6er-BMW die Urerfahrung einer gestörten Bindung zur Mutter nicht ganz heilen kann und daher gelebte Misogynie das Mittel der Stunde ist. 


Pps: Bei der DG sehen wir uns.  Bin dort mit Marvin und wir haben Perücken dabei wie bei Mullhollanddrive und wechseln uns ab, wie das doppelte Lottchen, anstatt uns wie Hermine zu verdoppeln. 






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Litaratur

Gabriela Eiden: Soziologische Relevanz der virtuellen Kommunikation. Wie verändert sich die interpersonale Kommunikation durch Nutzung des Internets? Vergleich der Face-to-face Interaktion nach Goffman mit der virtuellen Kommunikation. Zürich 2004. https://www.socio.ch/intcom/t_eiden.htm#4.2.4

Sannicolas, N. (1997). Erving Goffman, Dramaturgy, and On-Line Relationships. Magazine for social scientific Researchers of Cyberspace.

Elfriede Jelineks Stück «Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!» gleicht einem Flug durch den gewaltigen Nebel an Gerede, der sich im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie vor allem in den digitalen Medien ähnlich rasant verbreitet hat wie das Virus selbst. Bemerkenswert ist, wie Jelinek im lauten Streit «aufrichtiger Meinungen» ein Netz verdeckter Korrespondenzen...

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