Sachzwänge / Protestformen / Fear Porn /
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Wie tief kann ein Minister sinken, titelt die BILD und zeigt Habeck, wie er vor dem Scheich kniet. Heidegger meldet sich aus dem Grab und spottet über seinen alten Kumpel Schröder: „Es gibt gar keinen grünen Wasserstoff, meint er.“ Das klingt nach: Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.
Sachzwänge. Sind vielleicht Zwänge, die von einer Sache ausgehen. Zum Beispiel ein Tier, das von der Leine gelassen wurde und uns in unsere Achillesferse beißt. (Ja, Tiere sind keine Sachen, aber sie werden sprachlich von mir jetzt mal so behandelt). Oder sind, wer weiß das schon so genau, Zwänge, die der Mensch fühlt. Quasi als Trägermedium, die sich aber nach den Sachen richten. Frei nach dem Motto: Geld stinkt nicht. Wer volle Steuertöpfe möchte, aus denen die Kulturschaffenden schlabbern können, und die Bundeswehr und alle anderen mittleren Helden in unserem Gemeinwesen, der muss die Rezession scheuen. Deshalb brauchen wir ENERGIE. Egal wie und von wem. Ein Tropfen Öl, als körperlicher Gegenstand ist demnach das Objekt der Begierde. Der Zwang jedoch vollzieht sich in dem Subjekt, dass sich ihm unterwirft. Oder Drittens. Und hier wird es skandalös, ist die Sache im Sachzwang überhaupt nicht körperlich zu verstehen. Sondern im Sinne von: „Komm zur SACHE“ / „Es geht doch um die SACHE (und nicht etwa die Emotion der Beteiligten, etc)“. Die Rede von Sachzwängen unterstellt demzufolge eigentlich nur auf perfide Weise eine Alternativlosigkeit der aus dem Sachzwang resultierenden Folgeentscheidung. Sie ist die einzig gangbare Alternative. Eben eine solche, die nach sachlichen Gesichtspunkten getroffen wird („Bleib doch mal sachlich!“). Wer von Sachzwängen spricht, legt — nach dieser Lesart — den Funken an den Scheiterhaufen der Irrationalität. Den Okkultismus. Bullerbü.
Diesen ganzen scheiß Laden in Brand zu stecken ist indes vielleicht gar nicht die schlechteste Idee. Ich sehe ja Bilder auf Facebook (ein Bekannter mit gelber Weste am Berliner Hauptbahnhof, der Ankömmlingen (ja, „lingen“, weil diese Menschen sind doch zu drollig) den Weg weist) im Fernsehen (Doku über einen Hotelier, der eine Ferienwohnung frei macht, für die Familie der Auszubildenden) und ich sehe ein Rentner-Ehepaar, das vor dem russischen Konsulat ihren Sonntag verbringt. Protestierend. zu Hause drehen sie vermutlich endlich die Energiespar-Glühbirne herein, um im weißen Licht ihren Protest zu bestaunen. Ganz gerührt von dem narzisstischen Rausch, der entsteht, wenn man auf einmal ganz deutlich weiß, WAS ZU TUN IST. Okkultismus Life. Bullerbü 2.0.
[Link zu Magnus, der seine Wohnung kostenlos überlässt]
Was also bleibt denen, die nicht spenden können, weil ihnen aufgrund der Spritpreisexplosion alles um die Ohren fliegt? Die sprichwörtlichen Geringverdiener? Minderleister? Prekär beschäftigten? Die Jens Spahn bei hart aber fair neulich so rührend adressierte. (Die Wahrheit ist konkret, hat er gesagt. Ist das nicht ein Ulrike-Meinhof-Zitat?). Ich finde das eine verdammt interessante Frage: Wem gehört dieser Krieg? Also ich meine Semiotisch. Diskursiv. Wer darf sich ihn anziehen, diesen Schuh? Nur die Gelbwesten? Oder auch die Neoliberalen? Warum sagt eigentlich keiner laut, dass wir BOCK HABEN AUF UNSERE BRAUNKOHLE?! Laschet, wo bist Du, wenn man dich (einmal) braucht?! Wir wollen, was wärmt und sattmacht. Wir wollen Lügen, wenn die Wahrheit uns frei macht aber frieren lässt. Merk dir das gefälligst, Robert Habeck, Du Waschweib! Diese Zeit braucht echte Männer!
Ich glaube, den Mittellosen bleibt die Diskursverweigerung. Die Sachbeschädigung. Der Zynismus. Den klugen bleibt das innere Exil angesichts dieses ganzen Geredes. [war das Sartre? Der Ekel?] Die Ambitionierten können Petitionen schreiben. Oder Hilfsgüter sortieren, von denen eine Flut kommt, wie damals im Arntal. Hinter den Protestrentnern war übrigens das Tor zum Konsulat mit roter Farbe komplett eingesuhlt. Blut. Empörung. Revolte. State of emergency. Von dem allen war etwas zu spüren in dieser Semiotik. Ich weiß nicht. Mir wirkte das wie ein Ausweg. Wie die einzige einzige einzige Verweigerung in dem Dickicht aus Affirmation. Defätismus in Zeiten der Cholera. Ich kann das nicht genauer erklären. Aber es war die einzige Form von Aktionismus, die mich überzeugt hat.
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