Legal affairs / Rundfunkgebühren/ Affirmation
Ne, es ist natürlich immer dünnes Eis wenn man sich hinstellt und meint, man wisse es besser als das Feuilleton
Und ich bin auch kein Gscheidhaferl, wo jetzt aus Prinzip Expertise behaupten muss, sowie das Sujet Jura lautet.
Und ich rede jetzt nicht zwingend davon, dass in keinem deutschen Gerichtssaal ein Richter ohne fließendes Deutsch mit seinem Hammer gegen das Geraune des einfachen Volkes, dieses peinlichen Chores der Ottonormalverbraucher (der wir GEZ-Zahler selber sind) anhämmern muss. Nein. Dass ein Prädikatsexamen Deutschkenntnisse in Wort und Schrift erfordert und die Saalordnung in aller Regel gewahrt IST, versteht sich von selbst, und soll daher auch hier nicht vertieft werden. ((Ohnehin ist mein Argument selten das versteckte Plädoyer für einen Hyperrealismus, wo sich die Streitgegenständliche Kunst daran hält, auch als „Drittes Reich“ anzutreten))
Dann hämmert von mir aus munter drauflos. Wenn es der Spannungsfindung dient.
Oder die Besetzung. Cool, wenn zwei gutaussehende deutsche Kartoffeln die Wahrheitshelden spielen und die einzige migrantische Person ein defätistischer Problembär ist (viel zu rational. Egoistisch. Rückgratlos). Ich bin selber eine Kartoffel, why should i bother.
Auch finde ich es vertretbar, Diese Metoo-Geschichte als große Peripetie zu Nießbrauchen. Das ist ja (tatsächlich, mal ohne Ironie) gar nicht so abwegig, dass man den Wissensvorsprung, der Macht und Dominanz ist, EINFACH NICHT MEHR WILL, weil er patriarchal kontaminiert ist (hier gelingt der Serie übrigens eine der wenigen wirklich spannenden Metaphern auf unsere Zeit). Klar ist das mit Pathos überfrachtet. Aber es ist eine spannende Wendung.
Und ästhetisch. Easy. Fokussiert die Wippe im Hintergrund anstatt die Protagonisten, die sich da vorne unterhalten. Ändern wir unsere Sehgewohnheiten. Und werden wir bessere Menschen. Schiller-TV.
Mein Unmut entzündet sich nicht an den Holzschnitt-Charakteren, oder den Dialogen, die eher den Charakter von Gebrauchsanweisungen haben. Wie oben dargelegt auch nicht an Besetzung, Bezug zu aktuellen Diskursen, Kameraführung oder mangelhaftem Einblick in strafprozessuale Abläufe. Alles geschenkt.
Es geht mir eher um den Tenor, dass Organe der Rechtspflege (denn nichts anderes sind Anwält*innen) vor allem dann sexy und erfolgreich seien, wenn sie tricksen, hacken, bedrohen und ihre Rechtseinschätzung bar jeder Selbstkritik dem Mandanten* als Fußfessel anlegen. Als wäre die Anwaltstätigkeit ein Sport, zu dem Doping und ein linearer Leistungsbegriff einfach dazugehört.
Nur dass ich nicht falsch verstanden werde: ich schwinge hier nicht die Naturalismus-Keule. Klar. Erzählt was ihr wollt. Die Gedanken sind frei.
Aber dieses scheiß öffentlich-rechtliche Fernsehen macht es sich gerade zur Aufgabe einen didaktischen Totalabriss über drängende Rechtsannekdoten zu liefern (Deep Fake-APR; #metoo-Beweislast, Satire-offener Kunstbegriff; Neue Rechte-Meinungsfreiheit, Parteiverbote; etc. pp.) Die Serie ist einzureihen in ein Programm, dass für die Rechtsprechung begeistern will. Für ihr befriedendes Potential werben (über die Schierach-Produktionen, die aus der exakt selben Ecke kommen, habe ich ja schon an anderer Stelle trefflich abgekotzt). Ein Potential, dass diese unstreitig besitzt.
Nur eben zu anderen Konditionen. Zu solchen eines GEREGELTEN Verfahrens. Einer OFFENEN Grundrechtsabwägung. Einer SCHWEIGENDEN Öffentlichkeit im Gerichtssaal. Einer LEGALEN Verteidigungsstrategie. Einer TRENNUNG zwischen Dritter und vierter Gewalt.
Das ist das skandalöse und nervige an der Serie: sie führt eine Wahrheit der Sexyness ein. Welche absolut zu sein scheint. Und siedelt diese in der Welt der Rechtsfindung an, wo mit gutem Grund ein intersubjektiver, prozessualer Wahrheitsbegriff gepflegt wird.
Als Plädoyer für ein Gemeinwesen macht sie so (in einer ohnehin heiklen Zeit) den Bock zum Gärtner.
TRIGGERWARNUNG: Diese Serie könnte Sie rechthaberisch und reaktionär machen. Sie ersetzt NICHT die Lektüre von Jhering und Benjamin!
Kommentare