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Es werden Posts vom Juli, 2020 angezeigt.

Manische Depression /Thomas Melle / Die Welt im Rücken / Problem der "Erzählerinstanz"

Lieber Thomas, der Autor als Instanz mag schon länger tod sein. Aber ich habe das Gefühl, nachdem ich Ihren Roman gelesen habe, dass Sie ihn wieder haben aufleben lassen. Denn NATÜRLICH ist in Ihrem Roman eine Erzählerfigur, die man literaturtheoretisch von Ihrer biographischen Person trennen muss. Das ist ja auch alles schön und gut. Aber beim Lesen Ihres Buches passiert dann doch noch was anderes. Und um das in Worte zu fassen bin ich heute angetreten. Sie schreiben es ja selbst: in früheren Erzählungen ging es auch schon um Ihre verhökerten Plattensammlungen, um Ihre verbrannten Freundschaften, kurz um Ihre Krankheit. Aber da war alles noch artifizieller gefasst und also auf eine Weise WEITER WEG VON DEM, WAS SIE EIGENTLICH SAGEN WOLLTEN. Denn es ist ja so, als manisch-depressiver Mensch: Man möchte so sehr gerne verstanden werden. Man möchte aus der eigenen verspulten Gedankenwelt ausbrechen und mit allen anderen wieder eine GEMEINSAME kohärente Welt erzählen dürfen. Un...

Autorbegriff / Roland Barthes / Herrndorf / Bilder deiner großen Liebe

Wolfgang Herrndorf konnte sein "Isa"-Fragment nicht zu Ende schreiben. Der Krebs kam ihm zuvor. Was also machen mit dem angefangenen Roman? Ursprünglich wollte er ja alles verbrannt wissen  (was ist es, das Literaten so obsessive Vernichtungsphantasien gegenüber ihren Texten unterhalten lässt? Oder behaupten die das nur, so wie dein bester Freund der sagt "ich melde mich wirklich nie wieder bei ihr, guck, ich habe die Nummer gelöscht...") Ist das ein letztes Heischen nach Ruhm? Weil der Autor* hören will: "NEIN, dir, lieber Autor gehören deine Werke nicht. Nicht mehr. Aber nicht etwa, weil hier der Tod des Autors im Raum steht, und das Publikum diese ehemalige Festung, "das Werk" stürmen darf, das ist schon lange nichts neues mehr. Auch nicht, weil wir die Testierfreiheit, die grundrechtlich verbürgte Rechtsposition, die es erlaubt über Deinen Nachlass zu verfügen, in irgendeiner Weise antasten wollen. Sondern weil dein Zeug einfach ZU GUT ist. W...

"Gefährdungen": Wie Dramaturgen denken

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Ich stelle mir eine Juristen vor, der einen auslaufenden Öltanker sieht. Er sorgt sich gegebenenfalls um die Verschmutzung des Erdreichs. Dekliniert Haftungsfragen in seinem Kopf durch. Und ruft die Polizei, oder schimpft auf die Politik, oder eilt zur Hilfe. Er erkennt wahrscheinlich die Gefahr und sieht in dem zum Glück unversehrt am Straßenrand stehenden Fahrzeugführer einen Gefährder oder einen Erfüllungsgehilfen. In jedem Fall wird er erkennen, dass die Lage ernst ist, und dass die Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit, sowie die Umwelt in Gefahr sind.  Anders der Dramaturg. Er sieht in dem umgekippten Laster ein Symbol für den um sich greifenden Neoliberalismus. Er erkennt in dem Öllieferanten einen Feind, einen ontologischen, den man vernichten sollte, oder zumindest für immer ausschließen. Er verspürt spontan Lust, das austretende Öl in Brand zu setzen, und seinen eigenen Ford Fiesta noch dazu zu stellen, um eine Barrikade zu errichten, um sich den öffentl...

#2 (meines Erachtens)

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Nach dem Ausschluss das Schweigen Es kann nur eine konsequente Fortführung des Ausschlusses geben Das Schweigen Alles andere hieße den Ausschluss infrage zu stellen Jegliche Begründung hieße den Anderen in seiner Seinsart in die Betrachtung nehmen zu müssen Jegliche Antwort hieße den Anderen wieder als Gesprächspartner anzuerkennen Jegliche Gegenfrage hieße dem Anderen wieder einen Raum zum Nachdenken an ein Gemeinsames zu eröffnen Aber dieses Gemeinsame mit dem Anderen Macht dem Übereigenen zu große Angst Deshalb kann es nach dem Ausschluss nur eine Art des Umgangs mit dem Ausgeschlossenen geben Das zum Schweigen bringen des Ausgeschlossenen So spaltet sich die herrschende Meinung immer weiter Bei jeder Gegenrede in den eigenen Reihen Bis auch dort nur noch das Schweigen herrscht Oder geschwätzige Permutation Dank an Uwe Wesel für die Betrachtung zur herrschenden Meinung, danke VVIP für den Anlass

#1

Die Schnitzelsemmel in der Kantine kostet nur 2,50. Das ist verschmerzbar. Da reicht das Geld noch für das allabendliche Besäufnis mit den Kolleg*innen (Bier sogar nur 1,50, quasi Selbstkostenpreis, of course steckt da viel Kapitalismuskritik in diesem Priceing. Und natürlich eine Menge Steuergelder. Aber das ist jetzt gerade hier nicht fühlbar. Gerade fühlt es sich wohlig weich an. Wie ein verdientes Privileg. "Einer fleißigen Biene (immerhin 10 unbezahlte Überstunden pro Woche) im altruistischen Bienenstamm (immerhin machen wir Stadtteilprojekte) der Kultur (diese ist zum Atmen wichtig, hat Ostermeier neulich in der SZ gedichtet) wird man ja noch ein wenig Honig ums Maul schmieren dürfen", denke ich mir und nehme zur Schnitzelsemmel noch einen leckeren Kaffe, den ich trinken werde, während ich durch unsere Glasfront auf die ganzen sinnlosen Bänker blicke, mit ihren Bullshitjobs, ihrem fiktiven Einkommen (so viel Geld KANN gar niemand ausgeben, also ich zumindest nicht. Wie ...