Oswald Wiener II

 Lieber Dieter, lieber Walther, 


schon länger habe ich mir vorgenommen, einmal meine Gedanken zu einer Lesung von Oswalds Buch im Axbax schriftlich zu konkretisieren. Und wer gackert, muss auch legen. 

Ich möchte vom Kern her beginnen: eine Lesung ist für mich ein Moment der gemeinschaftlichen Aufmerksamkeitslenkung. Im Vordergrund steht die mündlich verkörperte Schriftsprache des Autoren. Hierbei passieren zwangsläufig "Übersetzungen" und "Korrekturen" durch den Vorleser. Der Autor wird sie nicht immer lieben können. Wird sogar mit der zuckerglasierenden Rauhheit der (Schauspieler-)Stimme konfrontiert sein, die ggf. die Rhetorik des Textes noch weiter hintertreibt. Aber damit wird er leben müssen. Er kann sich ja im nachhinnein (oder währenddessen?) um Richtigstellung bemühen, wenn alle ihn mit Fragen löchern.

Genauso wichtig ist allerdings die Peripherie: Darf geraschelt und gezapft werden, währenddesen? Wie ist der Einlass organisiert? Wer wird eingeladen? Zu welchem Preis? Wer wird wie "von der Straße" dazugeholt? Gibt es pausen? Wie ist die Sitzordnung? Wer redet wann wie viel? Und wo sitzt eigentlich der Autor in dem ganzen Wimmelbild? Es wäre schön, wenn diese Peripherie (man kennt es von Veranstaltungen, bei denen jemand ein Kind dabei hat, oder ein Nilpferd) immer wieder auf den Kern übergreift und die Kommensurabilität der Literatur stört.

Außerdem gälte es mE nach, sich szenische Handlungen zu suchen, die kaum als solche zu identifizieren sind. Jemand hängt ein Bild auf. Wischt einmal nass durch. Isst inmitte der Mittelklasse-Semiotik einen viel zu fleischigen Döner. Ich setze hier zB auf die wunderbare Jeanette, die ja für vielerlei Späße zu haben ist. Am Eingang sollten Leute mit Hellebarden stehen, ggf im 20er-outfit oder mit Anleihen an Eyes wide shut. Gerne einen schönen (digitalen) Flyer dafür designen und (analoge) Eintrittskarten dafür drucken. Außerdem sollte mE Oswald in einer adäquaten Weise an dem Umsatz des Abends (oder vielleicht ja zwischen 14 und 20h?) beteiligt werden. Er hat es wegen dem Gerichtsverfahren ja gerade bei Gott nicht leicht... 

Ich mach es gerne umsonst. Kann ja damit für mich als freien Dramaturg werben. 

Wegen weiterer Details können wir uns ja mal im kreativen Januar gemütlich im Axbax zusammensetzen. 

Ich freu mich sehr !

Liebe Grüße

Euer 

H. C. A. 







LIT
De Man, Paul. Blindness and insight: Essays in the rhetoric of contemporary criticism. Routledge, 2013.


Barthes, Roland. Die Rauheit der Stimme. na, 1990.

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