Kleine Replik auf die Performance und auf den Ausschluss aus dem VVIP-Festival

Angst vor dem EuGH. Wird der Ausschluss weißer Heteros bald verboten?




Liebe Kommiliton*innen und Ehemalige*

Ich wurde am Samstag mit den folgenden Worten per Mail an der Teilnahme eines Theaterfestivals meiner Komilliton*innen ausgeschlossen:

Hallo Janik Hauser,
weil du gestern leider gegen unseren Code of Conduct verstoßen hast, sehen wir uns gezwungen dich für den restlichen Zeitraum unseres Festivals auszuschließen. 
Viele Grüße,
VViP Festival

grün: welch zynisch technische Formulierung. Das BaMF würde es nicht schaffen unmenschlicher zu klingen

Ich hatte bei einer Diskussionsrunde angemerkt, dass ich finde, eine künstlerische Arbeit sei undifferenziert mit den Begriffen "systematisch" und "Diskriminierung" umgegangen. Eine Position, die ich weiterhin vertrete. Und auch, dass ich eine POC kenne deren Wohnungssuche nach 14 Tagen abgeschlossen war. Einzelfall. Kasuistik. Was solls?

Wichtiger ist mir aber etwas anderes. Von Toleranz gibt es laut Rainer Forst verschiedene Konzepte. Ich kann eine Meinung, der ich nicht folge, gönnerhaft zulassen, solange es mich nicht gefährdet, das Andere gewähren lassen, aus strategischen Erwägungen, solange es im Privaten bleiben möge, sodass das asymmetrische Moment, die Verachtung in der Toleranz immer mitgeführt wird.

Oder aber ich betrachte das Andere als Bereicherung. Als Einladung, mich mit mir selbst vertrauter zu machen und die Vielfältigkeit des Lebens kennenzulernen. (vgl.  Anerkennung und Toleranz
Rainer Forst, 2004).

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Das VVIP-Festival hat mit seinem Entschluss, mich ohne die Angabe eines einzigen Grundes, ohne Bezugnahme auf mein Verhalten einfach auszuschließen, diese Erfahrungen von mir wieder hochgeholt. Von einer Veranstaltung, der ich zT gerne noch beigewohnt hätte, um zu sehen, womit sich die Leute beschäftigen, die dasselbe studieren wie ich. Die auch später mal die Welt mit theatralen Zeichen infrage stellen oder verändern wollen, wurde mir einfach wortlos vor der Nase die Tür zugeschlagen. Das hat sehr weh getan. Und ist zutiefst intolerant.

Wie soll ich jetzt damit umgehen? In Zukunft meine Gegeneinwände einfach für mich behalten? Am besten ganz wegbleiben, so wie es sich die Veranstalter*innen des Festivals vermutlich wünschen würden? Das ist eine schwierige Frage. 

Denn mir ist Kritik ein wichtiges Anliegen. Kritik heißt vom Wortstamm her nicht nur einfach sagen "dass man etwas problematisch findet" und es somit zu kontaminieren mit der Aura des Feindseligen, Systemaffirmativen und als solches Unterdrückerischen. Kritik heißt unterscheiden. Kategorien bilden. Die Spreu vom Weizen trennen. Und in diesem Sinne möchte ich gerne unterscheiden dürfen zwischen sozialschädlichem Verhalten, wie zum Beispiel einer Frau im Bewerbungsverfahren bei gleicher Eignung keinen Vorzug zu gewähren, einfach nur weil sie eine Frau ist (das ist sozialschädlich und muss bekämpft werden, weshalb uA das AGG geschaffen wurde) und auf der anderen Seite sozialadäquatem Verhalten, wie etwa als Vermieter jemandem eine Wohnung zu überlassen, der einem vertrauenswürdiger erscheint, weil man zum Beispiel die Mutter der betreffenden Person kennt, oder vermutet deren Lebenswandel passt besser zur Hausgemeinschaft (Fundstelle, siehe unten, m.w.N.)

Der Diskriminierungbegriff ist ungeheuer potent (insb. durch die Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG zur "mittelbaren Diskriminierung", also einer solchen, die nicht an den verpönten Merkmalen anknüpft aber dennoch faktisch zuungunsten marginalisiert Gruppen wirkt) und deshalb ungeheuer wichtig. Man sollte ihn in Ehren halten und ihn nicht auf alles anwenden, was einen im Leben in irgendeiner Weise frustriert hat. Das würde ihn entwerten und somit den Kampf derer erschweren, die auf seine Trennschärfe dringend angewiesen sind. Eigene Niederlagen sachgrundlos als Diskriminierung zu bezeichnen ist mE mit anderen Worten Effekthascherei und egoistisches Verhalten, dass mittelbar sozialschädlich wirken kann. Diese "Unterscheidung" machen zu dürfen sollte im Rahmen eines Festivals, das sich der Toleranz ja ausdrücklich verschrieben hat, zulässig sein. 

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Und ich würde mir in unser aller Interesse wünschen, dass wir im Rahmen eines ausdifferenzierten Diskurses wieder mehr zu einer Stimmung gelangen, die Rainer Forst als Wertschätzung-Konzeption der Toleranz bezeichnen würde. Ich stehe dafür bereit. Sagt mir gerne, was Ihr dazu denkt

Herzliche Grüße

XXXX (geschwärzt von Red.)




Kommentare

Anonym hat gesagt…
Sein eigenes Fehlverhalten selbstgerecht zu rechtfertigen und Andere in einer Art Entschuldigung zu disqualifizieren, zeigt jedem hier mit welchem Charakter wir hier zu tun hatten.
SlämSchläm hat gesagt…
Liebe LeserIn,
wir bedanken uns für Ihr Interesse. Generell freuen wir uns insbesondere über ausführliche LeserInnenbriefe, die den Gegenstand umfänglich schildern. Ein Grund, warum wir in der Red. jetzt andere Verhaltensregeln und eine andere Besetzung haben, ist um wieder einen respektvolleren Diskurs zu gewährleisten. Inhaltlich sind wir allerdings bei Ihnen Herzliche Grüße. Emmy (Red)

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